Griechenland gilt als eine der ältesten Wiegen des Weins. Bereits in der Antike war der griechische Wein ein wichtiger Bestandteil der Kultur, der Religion und des Handels. Heute verbindet sich diese jahrtausendealte Tradition mit moderner Önologie und nachhaltigen Anbaumethoden.
Von HB-Redakteurin Maria Vlachou
Aktuell – Während einer Weinlese auf einem griechischen Bauernhof konnte ich nicht nur den arbeitsintensiven Prozess hautnah miterleben, sondern auch die Leidenschaft der Winzer spüren, die ihre Reben seit Generationen pflegen. Die Weinlese in Griechenland beginnt meist Ende August und zieht sich – je nach Region und Sorte – bis in den Oktober hinein. In vielen Dörfern ist sie nicht nur Arbeit, sondern auch ein soziales Ereignis. Familien, Nachbarn und Freunde helfen mit, die Trauben zu ernten.
Mit scharfen Scheren werden die Trauben vorsichtig von den Reben geschnitten und in Körben gesammelt. Dabei achten die Helfer darauf, nur die reifen, gesunden Trauben mitzunehmen, da Qualität in diesem ersten Schritt entscheidend für den späteren Wein ist. Auf dem Bauernhof, den ich besuchte, wurde die Arbeit von Gesang, Lachen und gemeinsamen Pausen begleitet – ein lebendiges Zeugnis der griechischen Lebensfreude und Gemeinschaft.

Nach der Lese beginnt die Weiterverarbeitung. Die Trauben werden zunächst auf großen Tischen sortiert, um Blätter, beschädigte Früchte oder Fremdkörper zu entfernen. Anschließend erfolgt das Entrappen, also das Entfernen der Stiele, da diese Bitterstoffe enthalten, die den Geschmack verfälschen könnten.
Traditionell wurden die Trauben in Griechenland oft noch mit den Füßen in großen Bottichen zerquetscht – ein Ritual, das in manchen Regionen heute noch als touristische Attraktion gepflegt wird. Auf modernen Betrieben jedoch übernehmen Maschinen diese Arbeit, um hygienische und kontrollierte Bedingungen zu gewährleisten. Der entstandene Most wird anschließend in Tanks oder Fässern aufgefangen.

Die Gärung ist der entscheidende Prozess der Weinherstellung. In Griechenland setzt man sowohl auf moderne Edelstahltanks als auch auf altehrwürdige Holzfässer. Durch die Zugabe von Hefen – oder, in traditionellen Verfahren, durch natürliche Hefekulturen, die auf den Traubenschalen sitzen – beginnt der Zucker im Most, sich in Alkohol umzuwandeln. Dieser Prozess dauert zwischen einigen Tagen und mehreren Wochen, abhängig von der Sorte und dem gewünschten Stil des Weines. Weißweine werden meist kühler vergoren, um frische Aromen zu bewahren, während Rotweine länger und bei höheren Temperaturen gären, um Farbe, Tannine und komplexe Geschmacksstoffe zu extrahieren.
Nach der Gärung ruht der junge Wein. In Griechenland findet man eine beeindruckende Vielfalt an Methoden:
- Edelstahltanks für frische, aromatische Weißweine.
- Eichenfässer für komplexe Rotweine, die durch die Holznoten Tiefe und Charakter gewinnen.
- Amphoren, eine Wiederentdeckung antiker Techniken, die heute in einigen Bio- und Naturweingütern zum Einsatz kommt.

Die Reifezeit kann wenige Monate oder mehrere Jahre dauern. Währenddessen entwickelt der Wein seinen individuellen Charakter. Besonders die autochthonen griechischen Rebsorten – wie Assyrtiko, Xinomavro oder Agiorgitiko – spiegeln das Terroir, also den einzigartigen Boden und das Klima Griechenlands, wider.
Nach der Reifung wird der Wein gefiltert, abgefüllt und etikettiert. Viele griechische Weingüter achten heute auf nachhaltige Verpackungen und ein modernes Design, um auch international sichtbar zu sein. Exportmärkte spielen eine große Rolle, da griechischer Wein zunehmend Anerkennung findet. Dennoch bleibt ein bedeutender Teil für den heimischen Markt bestimmt – denn in Griechenland gehört ein Glas Wein selbstverständlich zu jedem guten Essen.
Wein ist in Griechenland mehr als nur ein Getränk. Er ist Teil der Kultur, des Alltags und der Gastfreundschaft. Schon in der Antike wurde Dionysos, der Gott des Weines, verehrt. Heute begleitet Wein Feste, religiöse Zeremonien und familiäre Zusammenkünfte. Die Weinherstellung verbindet dabei Generationen: Alte Techniken werden weitergegeben, gleichzeitig aber auch durch moderne Wissenschaft ergänzt. Dieser Dialog zwischen Tradition und Innovation macht den griechischen Wein einzigartig.
Die Weinherstellung in Griechenland ist eben ein lebendiger Prozess, der von Leidenschaft, Handarbeit und Respekt vor der Natur geprägt ist. Wer einmal bei einer Weinlese mitgeholfen hat, versteht, dass jede Flasche Wein nicht nur ein Produkt, sondern das Ergebnis harter Arbeit, Gemeinschaft und gelebter Kultur ist. (mv)

