In der reichen Geschichte der griechisch-orthodoxen Kirche gibt es zahlreiche Heilige, deren Leben von tiefem Glauben und außergewöhnlichem Mut zeugt.
Von HB-Redakteur Jorgos Kontos
Gedenktag: 12. Februar und 18. Juni
Götter & Gelehrte – Eine dieser faszinierenden Persönlichkeiten ist die heilige Marina von Bithynien, deren Andenken am 12. Februar und 18. Juni in der orthodoxen Kirche gefeiert wird. Ihr Leben, eingehüllt in Legenden und geheimnisvolle Überlieferungen, erzählt von Opferbereitschaft, Demut und der außergewöhnlichen Kraft der Vergebung.
Marina, deren Name auf das Meer verweist, wurde im 5. oder 6. Jahrhundert in Bithynien, einer Region des heutigen Türkei, geboren. Die Überlieferung berichtet, dass sie früh ihre Mutter verlor und von ihrem Vater Eugen aufgezogen wurde. Als dieser sich für ein klösterliches Leben entschied, wollte Marina ihm folgen. Da Frauen der Eintritt in Männerklöster verwehrt war, entschied sie sich für eine mutige Täuschung: Sie verkleidete sich als Mann und nahm den Namen Marinos an.
Jahrelang lebte sie in einem syrischen Kloster und führte ein strenges asketisches Leben. Niemand erkannte ihr wahres Geschlecht, und sie wurde als demütiger und frommer Mönch geschätzt. Doch ihr Schicksal nahm eine dramatische Wendung, als sie fälschlicherweise beschuldigt wurde, der Vater eines unehelichen Kindes zu sein. Eine junge Frau, die tatsächlich von einem anderen Mann verführt worden war, klagte den vermeintlichen Mönch Marinos an. Trotz ihrer Unschuld nahm Marina die Anschuldigungen schweigend hin und wurde aus dem Kloster verstoßen.
Verbannt und geächtet, übernahm Marina dennoch voller Liebe die Verantwortung für das Kind, das ihr untergeschoben wurde. Sie lebte in einer Einsiedelei vor den Toren des Klosters und sorgte für das Kind, ohne ihren Peinigern Groll entgegenzubringen. Jahre der Entbehrung folgten, doch Marina blieb ihrem Glauben treu und nahm ihr Schicksal demütig an.
Erst nach ihrem Tod wurde ihr wahres Geschlecht offenbar, und die Mönche erkannten ihren großen Irrtum. Erfüllt von Reue, nahmen sie ihre sterblichen Überreste in das Kloster zurück und verehrten sie fortan als Heilige. Ihr Leben wurde zum Sinnbild von Geduld, Selbstaufopferung und der Bereitschaft zur Vergebung, selbst unter den schwersten Umständen.
Die Ikonographie zeigt Marina entweder als geweihte Jungfrau oder als Eremitin, oft mit einem Kreuz oder in klösterlicher Tracht. Ihr Andenken wird in vielen Regionen gefeiert. Besonders bekannt ist das ihr geweihte Kloster in Albanien, das bis heute ein Ort der Pilgerfahrt ist. Auch die Kirche Santa Marina in Venedig und zahlreiche Kirchen in Sizilien und Kalabrien sind der Heiligen gewidmet. In Polistena wird seit 1870 eine Reliquie von ihr verehrt, und in Ruggiano werden Teile ihres Schleiers und ein Fragment ihres Schädels aufbewahrt.
Marinas Leben bleibt eine eindrucksvolle Mahnung an die Kraft der Vergebung und den Mut, für den Glauben einzustehen. Ihre Geschichte zeigt, dass wahre Heiligkeit nicht durch äußeren Ruhm oder Anerkennung definiert wird, sondern durch stille, aufrichtige Hingabe. In einer Welt voller Ungerechtigkeiten erinnert uns ihr Beispiel daran, dass wahre Liebe und Demut jede Anfeindung überwinden können. (jk)
