Im Schatten der Götter: Das stille Genie des Kephisodotos der Jüngere

In den goldenen Tagen Athens, als die Sonne über der Akropolis schien und die Marmorsäulen des Parthenon in ihrem Glanz erstrahlten, lebte ein Künstler, dessen Name heute nur noch in den Flüstern der Geschichte erklingt: Kephisodotos der Jüngere.
Von HB-Redakteur Jorgos Kontos

Geschichte – Als Sohn des berühmten Praxiteles und Enkel von Kephisodotos dem Älteren war er Teil einer Dynastie von Bildhauern, deren Werke die Götter und Helden der griechischen Mythologie zum Leben erweckten. Gemeinsam mit seinem Bruder Timarchos wirkte Kephisodotos der Jüngere im späten 4. und frühen 3. Jahrhundert v. Chr. in Athen. Ihre Zusammenarbeit war so eng, dass es heute schwierig ist, den individuellen Beitrag eines jeden zu bestimmen. Dennoch zeugen die erhaltenen Werke von einer tiefen künstlerischen Harmonie und einem gemeinsamen Streben nach Perfektion.

Eines ihrer bekanntesten Werke ist die Statue des Dichters Menander, die nach dessen Tod im Dionysostheater aufgestellt wurde. Obwohl das Original verloren ging, gelang es dem Archäologen Klaus Fittschen im Jahr 1990, die Statue aus zahlreichen römischen Kopien zu rekonstruieren. Die Darstellung zeigt Menander sitzend, mit nachdenklich geneigtem Kopf – ein Bild von stiller Kontemplation, das die tiefe Verbindung zwischen Künstler und Sujet offenbart.

Die Brüder schufen auch zahlreiche andere Werke, darunter Statuen in Athen, Delphi, Kos, Megara und Troizen. Einige dieser Werke wurden später nach Rom gebracht und schmückten dort Tempel und öffentliche Plätze. So stand eine Statue der Leto im Apollontempel auf dem Palatin, während Asklepios und Artemis im Iunotempel an der Porticus Octaviae verehrt wurden. Eine Statue der Ennyo fand ihren Platz auf der Agora von Athen, und im Erechtheion auf der Akropolis standen hölzerne Statuen des Lykurg und seiner Söhne.

Trotz dieser beeindruckenden Liste von Werken ist Kephisodotos der Jüngere heute weitgehend unbekannt. Seine Kunst, geprägt von einer tiefen Spiritualität und einem feinen Gespür für die menschliche Form, verdient es jedoch, wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt zu werden. In einer Zeit, in der die Welt nach Beständigkeit und Schönheit sucht, können seine Werke als Quelle der Inspiration dienen – stille Zeugen einer vergangenen Epoche, die noch immer zu uns sprechen. (jk)

Foto: Hellas-Bote