Durch die Tore der Träume: Die mystische Welt der Oneiroi in der griechischen Mythologie

Die griechische Mythologie bietet uns eine facettenreiche Welt, in der nicht nur das Göttliche, sondern auch das Traumhafte in Personifikationen und Geschichten verwoben ist.
Von HB-Redakteurin Soula Dimitriou

Götter & Gelehrte – Eine besonders geheimnisvolle Gruppe sind die Oneiroi (griechisch Ὄνειροι, deutsch „Träume“), die Verkörperung der Träume selbst. Die Oneiroi verkörpern das Traumhafte, das Seelische, das Zwischenreich, das Menschen im Schlaf aufsuchen, und sie werden in verschiedenen Quellen entweder als Kollektiv oder als einzelne Gestalten dargestellt. Ihre Herkunft? Die Nyx, Göttin der Nacht, brachte sie als Kinder zur Welt – ein würdiger Ursprung für diese Wesen des Dunklen und Geheimnisvollen.

Die Oneiroi werden von der Mythologie in zwei Klassen geteilt: Es gibt die Wahrträume, die sich oft als prophetische Visionen erweisen, und die trügerischen Träume, die Illusionen und Täuschungen verbreiten. Homer beschreibt diese Unterscheidung symbolisch durch zwei Pforten: Träume, die durch die „Elfenbeintür“ kommen, sind lügenhaft und betrügerisch, während die Träume der „Horntür“ Wahrheit bringen. Die Horntür verspricht somit klare Visionen und unverfälschte Offenbarungen, die Elfenbeintür hingegen falsche Hoffnungen und Illusionen.

Diese Metapher der Traumpforten entwickelte sich zu einem festen Bild in der antiken Kultur und beeinflusste zahlreiche Werke der Literatur und Kunst. In Bilddarstellungen, wie denen des Flavius ​​Philostratos, wurden die Pforten der Träume ebenso zu Symbolen für die geheimnisvollen Übergänge zwischen Realität und Traumwelt.

Doch nicht alle Träume entspringen aus reiner Quelle – selbst die Götter können ihre eigenen Interessen verfolgen und dabei die Traumwelt nutzen. In der Ilias sendet Zeus dem Helden Agamemnon einen trügerischen Traum, der ihn in die Irre führen soll, um seine eigenen göttlichen Pläne zu erfüllen. Diese Geschichte erregte später die Unmut des Philosophen Platon, der die Darstellung der Götter als absichtlich täuschende Instanzen ablehnte. Zeus‘ Manipulation der Träume symbolisiert hier die Göttlichkeit als ein zwiespältiges und oft unergründliches Prinzip, das sich der menschlichen Moral entzieht.

Auch in der römischen Mythologie taucht das Motiv der Traumsendungen auf. Die Oneiroi finden ihre Entsprechung in den Somnia , die ebenfalls als Kinder der Nox (Nacht) geboren wurden. Der römische Dichter Ovid erweitert den Traumkosmos in seinen Metamorphosen , indem er den Göttervater Somnus als Erzeuger von tausend Traumgestalten darstellt. Drei von ihnen ragen besonders hervor: Morpheus, der menschliche Gestalten formt, Phobetor, der Tiere erscheinen lässt, und Phantasos, der die unbelebte Natur in Träume bringt. Während die namenlosen Oneiroi ihre Traumgesichter dem einfachen Volk zeigen, sind Morpheus und seine Brüder den Königen und Anführern vorbehalten, denen sie Botschaften und Omen übermitteln. (sd)

Foto: Hellas-Bote

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