Es ist ein warmer Septembermorgen in der griechischen Lagunenstadt Etoliko. Noch ruht das Leben, nur ein einziges Boot findet seinen Weg über das Wasser auf der Suche nach weiblichen Meeräschen. Sie ziehen zu dieser Zeit zu ihren Laichplätzen und ihr Rogen ist eine ganz besondere Delikatesse, die bereits in der Antike bekannt war.
Von HB-Redakteurin Sofia Papadopoulou
Griechenland – Etoliko, in Westgriechenland gelegen, ist ein Stadtbezirk der Gemeinde Mesolongi. Die Altstadt selbst liegt auf einer kleinen Insel zwischen der Lagune von Etoliko und der Lagune von Mesolongi, welche das hier heute Morgen noch ruhige Wasser mit dem offenen Meer verbindet. Der Name der Lagunenstadt erinnert an den Stamm der Aitoler, der im 4. und 3. Jahrhundert vor Christus lebte. Anfang des 19. Jahrhunderts, während des griechischen Unabhängigkeitskrieges, wurde Etoliko als Ort des Widerstands bekannt und konnte zwei türkische Belagerungen erfolgreich abwehren. Erst 1826 schafften es die Osmanen den Ort einzunehmen.
Bekannt ist das Gebiet heute für die weitläufigen Salinen und die Lagunen als fischreichste Gewässer Griechenlands mit ihren Fischerhütten auf Pfählen, die durch das flache Wasser möglich gemacht werden. In den Tavernen wird als Spezialität geräucherter Aal und in Wachs gehüllter Fischrogen gereicht. Bottarga oder Avgotaracho, wie der griechische Kaviar hier genannt wird, stammt aus dem Rogen der Meeräsche und gilt bei Gourmets als Delikatesse – weshalb der Kilopreis gerne zwischen 200 bis 400 Euro liegt.
Meist bekannt sowie hergestellt in Italien, Frankreich und sogar Japan aus Thunfischen oder Schwertfischen, erobert der griechische Kaviar aus Etoliko immer häufiger die Gourmetküchen der Welt. Hierbei handelt es sich um den gesalzenen und gepressten Rogen der Meeräsche (Bafa), die von Anfang August bis Mitte September entlang der griechischen Westküste ihre Laichwege besucht. Auf dem Weg zum Meer werden die Tiere abgefangen, die Eiersäcke entfernt und nach dem Trocknungsvorgang in Bienenwachs konserviert.
Avgotaracho (Bottarga) zählt zu den antiken Speisen mit einem intensiven Geschmack. Die Fischer genießen den Rogen pur als dünne Scheiben mit einem Gläschen Tsipouro, manchmal aber auch mit einem Spritzer Zitrone und schwarzem Pfeffer. In den Sterneküchen dieser Welt wird der Fisch hauchdünn über Nudeln oder zu Vorspeisen gegeben.
Die Einheimischen sind sich sicher, dass das Gold des Meeres das Geheimnis ihrer starken Herzen ist und so essen sie am Morgen bereits eine dünne Scheibe des Rogens. Man kann durchaus über den Geschmack streiten, denn diese Speise fordert nicht nur den Gaumen heraus, sie soll auch aphrodisierende Eigenschaften besitzen. Bei einem Besuch an der griechischen Westküste lohnt sich eine Verkostung direkt am Wasser – traditionell und ursprünglich, so wie bereits vor Jahrhunderten. (sp)