Der Syrtos – Tanzende Tradition im Rhythmus Griechenlands

Wer Griechenland besucht, begegnet früher oder später einer der kraftvollsten Ausdrucksformen seiner Kultur: dem Tanz. Einer der ältesten und zugleich populärsten unter ihnen ist der Syrtos – ein faszinierender Kettentanz, der tief in der Geschichte verwurzelt ist und bis heute bei Hochzeiten, Dorffesten und religiösen Zeremonien das Herz der Menschen bewegt.
Von HB-Redakteur Jorgos Kontos

Geschichte – Der Name Syrtos stammt vom griechischen Wort „syro“, was so viel wie „ziehen“ oder „führen“ bedeutet. Und genau das tun die Tänzer: Sie bilden eine lange Reihe oder einen Kreis, halten sich an den Händen und bewegen sich in harmonischer Einheit – angeführt von einem Vortänzer, der gelegentlich aus der Kette tritt, um mit kunstvollen Solo-Schritten und Drehungen zu improvisieren. Oft reicht der zweite Tänzer ihm dabei ein Taschentuch, damit die Verbindung erhalten bleibt – eine symbolische Geste, die Sicherheit und Verbundenheit zeigt.

Der Syrtos ist nicht nur ein Tanz, sondern ein lebendiges Kulturerbe. Schon im 2. Jahrhundert n. Chr. beschrieb der antike Schriftsteller Lukian eine frühe Form dieses Reihentanzes. Auch der Kalamatianos, eine beschwingtere Variante im 7/8-Takt, basiert auf denselben Schritten – lediglich der Rhythmus ist anders: langsam, schnell, schnell. Beide Tänze werden nicht nur in Griechenland, sondern auch von der griechischen Diaspora rund um den Globus begeistert getanzt.

Unterschiede zeigen sich auch in den regionalen Ausprägungen: Vom majestätischen Syrto Kretikos aus Westkreta über die lebhaften Nisiotikoi Syrtoi der Inseln wie Paros, Ikaria oder Naxos, bis hin zum Politiko Syrto aus Konstantinopel – jede Region bringt ihre ganz eigene Melodie, ihre eigenen Kostüme und Bewegungen mit ein. In Thessalien und Epirus kennt man sogar den „Syrtos Koftos“, bei dem Musik und Tanz plötzlich „unterbrochen“ werden – ein besonderer Spaß für die Tänzer, die bei jeder Pause rhythmisch klatschen oder rufen.

Der Tanz ist nicht nur eine festliche Tradition, sondern auch ein emotionales Ausdrucksmittel: Berühmt ist die tragische Legende von den Frauen von Souli, die sich 1803 im Syrtos-Schritt vom Berg Zálongo in den Tod stürzten, um der Gefangenschaft zu entgehen. Solche Geschichten zeigen: Der Syrtos ist nicht nur Unterhaltung, sondern Spiegel der griechischen Seele – von Freude, Stolz, Freiheit bis hin zur Trauer.

Besucher Griechenlands sind herzlich eingeladen, bei einem Fest mitzumachen und den Syrtos selbst zu erleben. Oft genügen ein paar Grundschritte und etwas Offenheit, um in die tanzende Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Der Reiz liegt nicht in der Perfektion, sondern im gemeinsamen Erleben. (jk)

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