Das Lenbachhaus München kann man inzwischen schon als Münchner Tradition bezeichnen. Die ehemalige Künstlervilla an der Luisenstraße prägt nun bereits seit über einhundert Jahren das Stadtbild.
Von HB-Redakteurin Nadja Becker
München/Reisen – Traditionell bayerisch mutet der Prachtbau des Malerfürsten Franz von Lenbach mit seinem toskanischen Stil vor der griechischen Kulisse des Königsplatzes zunächst nicht an. Allerdings verstand es von Lenbach bereits damals, Tradition und Moderne geschickt zusammenzuführen. Die Sehnsucht nach dem Süden wollte er trotz seiner beachtlichen Sammlung verschiedenster Preziosen aus aller Welt auch architektonisch umsetzen lassen. Kein geringerer als der berühmte Münchner Architekt Gabriel von Seidl half Lenbach, seinen exotischen Palast zu erbauen. Und in seiner Künstlervilla, in der „die europäische große Kunst“ zusammenkommen sollte, versammelte Franz von Lenbach nicht nur die wichtigsten Zeitgenossen aus Kultur, Kunst und Politik, sondern unterstützte und förderte Künstler aus München und dem Umland im großen Stil.
Als Lolo von Lenbach nach seinem Tod den Bau mitsamt der Lenbach’schen Sammlung der Stadt München zum Kauf anbot, erschien es nur logisch, dass die 1929 eröffnete Städtischen Galerie im Lenbachhaus die Tradition des Hausherren fortführte und bis in die 1950er Jahre Münchner Malerei des 19. und deutsche Kunst des frühen 20. Jahrhunderts zeigte vor allem die „Münchner Schule“ mit ihren bunten, bäuerlichen oder bürgerlichen Genrebildern und Landschaften unter weitem Himmel. Neben dem ehemaligen Hausherren und Künstlerfürsten Franz von Lenbach gibt es aber auch eine „Hausherrin“.
Gabriele Münter, eine hervorragende Malerin und die ehemalige Lebensgefährtin Wassily Kandinskys, schenkte dem Lenbachhaus anlässlich ihres 80. Geburtstags 1957 ihre Sammlung an über 1.000 Werken der Künstlergruppe „Blauer Reiter“. So wurde das Lenbachhaus quasi über Nacht zu einem der großen Player der internationalen Museumslandschaft. Denn die großzügige Gabe Münters zog weitere nach sich, darunter die Schenkung an Werken von Franz Marc durch die Erben des damaligen Förderers Bernhard Köhler; und so besitzt das Lenbachhaus nun die größte Sammlung an Werken von Kandinsky und der Künstlergruppe des »Blauen Reiter«, neben Werken der beiden Gründer Marc und Kandinsky, auch Gemälde von Gabriele Münter, Paul Klee, August Macke, Alexej Jawlensky, Marianne von Werefkin u.a. Der „Blaue Reiter“ in München gehört neben der Künstlergemeinschaft der „Brücke“ in Dresden und Berlin zur wichtigsten Bewegung der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts.
Aus Russland, Frankreich, der Schweiz und ganz Deutschland hatten sich die Künstler zur Jahrhundertwende in und um München niedergelassen und fanden hier ihre Inspiration. Die Auseinandersetzung mit der Landschaft, Licht und Farbe, die die Künstler in München und im oberbayerischen Raum suchten, führte schließlich zu einer strahlend farbigen, expressiven und zum Teil abstrahierenden, neuen Formensprache. Vereint im Glauben an eine „geistige“ Dimension in der Kunst ebneten die zahlreichen und vielfältigen Werke der Gruppe den Weg in die Moderne.
Die Neueinrichtung der Abteilung des „Blauen Reiter“ setzte nach den umfangreichen Ausleihen für Ausstellungen im Museo Thyssen-Bornemisza Madrid, im MoMA New York, im Frankfurter Städel, in der Alten Nationalgalerie Berlin, im Palazzo Ducale und Venedig neue Akzente in der Schausammlung. Einzelne Hauptwerke wurden, angeregt durch Kandinskys Diktum, dass nur das „eigentlich Künstlerische“ im Mittelpunkt jeder Betrachtung stehen solle, nun auratischer gehängt. Dieses Postulat des „eigentlich Künstlerischen“ beinhaltet auch einen offenen Ansatz, demzufolge Kandinsky und Marc in ihrem 1912 herausgegebenen Almanach „Der Blaue Reiter“ Volkskunst, Kinderkunst, ägyptische Schattenbilder, afrikanische Schnitzereien und bayerische Hinterglasbilder gleichberechtigt neben die Kunstwerke alter europäischer Meister und der aktuellen Avantgarde stellten. Ein eigener Raum ist deshalb dem Almanach und seinen Bildwerken gewidmet, auf einem Touchscreen kann man durch das berühmte Buch blättern (www.lenbachhaus.de). (nb)