In einer Zeit, in der die Welt von politischen Umbrüchen und kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt war, erhob sich in Athen ein Künstler, dessen Werke bis heute von einer tiefen humanistischen Vision zeugen: Kephisodotos der Ältere.
Von HB-Redakteur Jorgos Kontos
Geschichte – Als bedeutender Bildhauer der attischen Schule des 4. Jahrhunderts v. Chr. schuf er Skulpturen, die nicht nur die Götterwelt Griechenlands verkörperten, sondern auch zeitlose Botschaften von Frieden und Wohlstand übermittelten.
Sein wohl bekanntestes Werk, die Statue der Eirene mit dem jungen Plutos, symbolisiert die enge Verbindung zwischen Frieden und Reichtum. Diese Darstellung, in der die Friedensgöttin Eirene den Gott des Wohlstands, Plutos, liebevoll in den Armen hält, wurde um 370 v. Chr. auf der Agora von Athen aufgestellt. Sie war nicht nur ein künstlerisches Meisterwerk, sondern auch ein politisches Statement in einer Zeit, die von Unsicherheit und Konflikten geprägt war. Die römische Marmorkopie dieser Statue befindet sich heute in der Glyptothek in München und vermittelt noch immer die ursprüngliche Botschaft des Originals.
Kephisodotos Einfluss reichte weit über seine eigene Schaffenszeit hinaus. Er war wahrscheinlich der Vater und Lehrer des berühmten Praxiteles, dessen Werke die griechische Skulptur maßgeblich prägten. Die künstlerische Tradition setzte sich in der Familie fort, denn auch Kephisodotos der Jüngere, der Enkel des Älteren, wurde ein bedeutender Bildhauer. Diese dynastische Weitergabe von Wissen und Stil zeigt die tiefe Verwurzelung der Kunst in der griechischen Kultur und die Bedeutung familiärer Lehrtraditionen.
Neben der Eirene mit Plutos schuf Kephisodotos der Ältere zahlreiche weitere Götterbilder in Bronze und Marmor. Es wird ihm zugeschrieben, als erster Künstler die neun Musen in einer künstlerischen Form dargestellt zu haben. Diese Innovation unterstreicht seine Rolle als Pionier in der Darstellung mythologischer Figuren und seine Fähigkeit, traditionelle Themen mit neuer Ausdruckskraft zu versehen.
Die Werke von Kephisodotos sind nicht nur Ausdruck ästhetischer Meisterschaft, sondern auch Spiegel der gesellschaftlichen und politischen Ideale seiner Zeit. Sie verbinden künstlerische Schönheit mit tiefgründigen Botschaften und zeigen, wie Kunst als Medium für gesellschaftliche Reflexion und Transformation dienen kann. In einer Welt, die oft von Unruhe und Unsicherheit geprägt ist, erinnern uns seine Skulpturen an die zeitlose Sehnsucht nach Frieden und Wohlstand.
Kephisodotos der Ältere bleibt somit eine herausragende Figur in der Geschichte der griechischen Kunst. Seine Werke, insbesondere die Eirene mit Plutos, sind Zeugnisse einer Epoche, in der Kunst und Politik eng miteinander verwoben waren. Sie laden uns ein, über die Werte nachzudenken, die unsere Gesellschaft prägen, und über die Rolle der Kunst in der Vermittlung dieser Werte. (jk)

