Hingabe und Martyrium: Die heiligen Raffael, Nikolaus und Irene von Lesbos

Auf der griechischen Insel Lesbos, zwei Tage nach Ostern, erhebt sich die stille Feierlichkeit eines außergewöhnlichen Trios: Raffael, Nikolaus und Irene, deren Martyrium und Glaubensstärke die Geschichte überdauerten. Die Heiligen haben nicht nur spirituelle, sondern auch historische Spuren hinterlassen, die Gläubige aus aller Welt anziehen.
Von HB-Redakteurin Maria Vlachou

Aktuell/Götter & Gelehrte – Lesbos, Griechenland … Ein Hügel, getränkt von Blut und Gnade, wird jedes Jahr am Dienstag nach Ostern zum Wallfahrtsort für Tausende Gläubige. Der Diakainisimos-Dienstag ist der Gedenktag der Heiligen Raffael (Raphael/Raphail), Nikolaus und Irene, deren Leben und Martyrium bis heute in den Herzen der Christen weltweit nachhallen. Ihre Geschichte ist eine Erzählung von Mut, Glaube und unerträglichem Leid, aber auch von Wundern, die die Zeit überdauert haben.

Im Jahr 1463, während die osmanische Expansion den letzten Rest des byzantinischen Reiches verschlang, fanden die drei Heiligen auf Lesbos einen grausamen Tod. Der Priester Raffael, geboren als Georgios Laskaris auf der Insel Ithaka, und sein treuer Begleiter, der Diakon Nikolaus aus Thessaloniki, hatte sich in das Kloster Karyes auf Lesbos zurückgezogen, um dort zu beten, zu predigen und bedürftigen zu helfen. Gemeinsam mit ihnen lebte Irene, die Tochter eines lokalen Rebellenführers, deren Standhaftigkeit im Glauben sie in die Reihen der Märtyrer erhob.

Die Eroberung der Insel durch die Osmanen brachte Tod und Zerstörung. Als Rebellen das Kloster als Unterschlupf nutzten, fielen auch die friedlichen Bewohner der Rache der Besatzer zum Opfer. Irene starb in einem Tonkrug mit kochendem Wasser – ein unvorstellbares grausames Ende, das ihre Unerschütterlichkeit im Glauben unterstreicht. Nikolaus starb, überwältigt vom Anblick ihres Leidens, an einem Herzinfarkt. Raffael hingegen ertrug tagelange Folter, bevor er durch Enthauptung den Märtyrertod fand.

Ihre Geschichte blieb jahrhundertelang verborgen, bis 1959 ihre Gräber in Karyes auf wundersame Weise entdeckt wurden. Arbeiter, die an einem Wasserreservoir in der Nähe des alten Klosters arbeiteten, stießen auf die Überreste der Heiligen. Bald darauf folgten Visionen und Erscheinungen des Heiligen Raffael, der Pilgern und Dorfbewohner nicht nur sein Martyrium offenbarte, sondern auch zahlreiche Wunder vollbrachte.

Eine dieser Erscheinungen ereignete sich, als ein Arbeiter, der die Gebeine unachtsam behandelte, plötzlich gelähmt wurde. Erst nach einem Akt der Buße gewann er seine Bewegungsfähigkeit zurück. Diese und viele weitere übernatürliche Begebenheiten festigten den Glauben an die Heiligkeit der drei Märtyrer.


Raffael (1410–1463): Georgios Laskaris, später bekannt als Heiliger Raffael, wurde 1410 in Perachori auf der Insel Ithaka geboren. Seine Eltern Dionysios und Maria erzogen ihn in tiefem christlichen Glauben und vermittelten ihm Werte, die sein Leben prägen sollten. Schon in jungen Jahren zeigte er eine große Wissensbegierde und ein außergewöhnliches Talent für das Lernen. Mit 13 Jahren verließ Georgios auf Drängen seiner Schwager seine Heimat und zog nach Mystras, einer bedeutenden kulturellen und intellektuellen Hochburg jener Zeit. Dort vertiefte er sich in den Studien der westlichen und griechischen Philosophie sowie der Medizin – Fächer, die ihm besondere Freude bereiteten und sein Verständnis der menschlichen und göttlichen Ordnung prägten.

Nach Abschluss seines Studiums trat Georgios in die byzantinische Armee ein, wo er eine hohe Stellung erreichte. Doch sein Leben sollte eine radikale Wendung nehmen. An Weihnachten, während eines Gottesdienstes, beeindruckte ihn die Hingabe des Priesters Johannes, der das Wort Gottes predigte und die Soldaten mit der heiligen Kommunion segnete. Diese Begegnung blieb ihm tief im Herzen. Einige Jahre später, während der Epiphanienfeier, fasste Georgios den Entschluss, sein Leben ganz Gott zu widmen. Er verließ die Armee und trat in ein Kloster ein. Als Mönch nahm er den Namen Raffael (Raphael) an. Er wurde bald darauf zum Priester geweiht und erhielt die Würden des Protosynkellos und Archimandriten. Sein Ruf als weiser Geistlicher und Prediger führte dazu, dass der Ökumenische Patriarch ihn nach Morlais in Frankreich entsandte, um dort wichtige kirchliche Aufgaben zu übernehmen.

Nach seiner Rückkehr aus Frankreich wirkte der Heilige Raffael in Athen, wo er als Priester in der Kirche Agios Dimitrios Myrovlytis auf dem Filopappos-Hügel diente. Seine Predigten waren von tiefer spiritueller Einsicht geprägt und inspirierten viele Gläubige. Im Jahr 1450 begab er sich mit seinem treuen Weggefährten Nikolaos, der ebenfalls Mönch und später Diakon wurde, nach Mazedonien, um das Evangelium zu verkünden.

Die politische und religiöse Unruhe jener Zeit führte Raphael schließlich auf die Insel Lesbos. Hier lebte er im Kloster der Geburt der Jungfrau Maria, das auf einem Hügel nahe dem Dorf Thermi lag. Lesbos, damals ein Zufluchtsort für viele Christen, wurde 1462 von den Osmanen erobert. Im folgenden Jahr erlebte Raphael sein Martyrium. Am 9. April 1463, einem Dienstag, wurde er von den Türken grausam gefoltert und schließlich getötet. Sein Tod besiegelte seine Hingabe an den christlichen Glauben und machte ihn zu einem Märtyrer.

Nikolaus (†1463): Der aus Thessaloniki stammende Nikolaus war ein begabter Medizinstudent, bevor er Raffael begegnete und Mönch sowie Diakon wurde. Er war Raffaels engster Begleiter und teilte dessen Schicksal bis zum bitteren Ende.

Irene (1451–1463): Irene, die Tochter des Propstes und Rebellen Vassilios, wurde schon in jungen Jahren zur Märtyrerin des christlichen Glaubens. Im Alter von nur 12 Jahren musste sie unfassbare Grausamkeiten ertragen, die sie mit unerschütterlichem Glauben und Mut auf sich nahm. Trotz ihres jungen Alters wurde sie schwer gefoltert. Die Peiniger schnitten ihr zunächst einen Arm und später eines ihrer Beine ab. Schließlich wurde sie in ein Gefäß gesteckt und lebendig gekocht. Diese grausamen Taten geschahen vor den Augen ihrer Eltern, die machtlos zusehen mussten und von tiefem Schmerz erfüllt waren.


Das Kloster Karyes auf Lesbos, das Zentrum ihres Wirkens, wurde nach der Entdeckung ihrer Gräber 1963 neu gegründet. Es zieht heute Pilger aus aller Welt an, die Heilung und spirituelle Erneuerung suchen. Viele berichten von wunderbaren Heilungen und Bekehrungen, die durch die Fürsprache der Heiligen geschehen sind.

Die Reliquien der Märtyrer, die in der Kirche des Klosters ruhen, sind eine Quelle des Trostes und der Inspiration. Der Ort ist ein lebendiges Zeugnis für die Kraft des Glaubens, die selbst die dunkelsten Zeiten überdauert. Am ersten Dienstag nach Ostersonntag versammeln sich Gläubige, um das Andenken an die Heiligen Raffael, Nikolaus und Irene zu feiern. Es ist eine Zeit der Freude und Besinnung, die den Triumph des Lebens über den Tod symbolisiert – ein Kernaspekt der österlichen Botschaft. (mv)

Foto: Hellas-Bote

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