Während am heutigen Karsamstag in Griechenland die Vorbereitungen für das orthodoxe Osterfest auf Hochtouren laufen, erfüllt der Duft von Gewürzen die Luft.
Von HB-Redakteurin Maria Vlachou
Aktuell/Kultur – Überall werden Lämmer und Ziegen geschlachtet, um am Ostersonntag nach alter Tradition am Spieß über offenem Feuer gegrillt zu werden. Doch dieser Brauch hat weit tiefere Wurzeln, als es auf den ersten Blick erscheinen mag – er reicht Jahrtausende zurück, bis in das Judentum und das antike Griechenland, und ist bis heute eng mit Glaube, Opfer und Freiheit verknüpft.
Der Ursprung des Osterlamms ist eng mit der jüdischen Pessach-Tradition verknüpft. Bereits im Alten Testament wird das Lamm als zentrales Opfer erwähnt: Die Israeliten bestrichen ihre Türpfosten mit dem Blut eines Lammes, um sich in der Nacht des Auszugs aus Ägypten vor dem Todesengel zu schützen. So wurde das Lamm zum Zeichen des Schutzes und der Erlösung.
Auch die Geschichte Abrahams, der seinen Sohn Isaak auf Gottes Geheiß opfern sollte, ist eine wesentliche Quelle der Symbolik. Erst im letzten Moment griff ein Engel ein und ersetzte das Menschenopfer durch einen Widder, wodurch das Tieropfer als Akt der Hingabe und des Gehorsams vor Gott etabliert wurde.
Auch in der griechischen Antike war das Opfern eines Lamms tief in religiösen und sozialen Bräuchen verankert. Besonders beim 40-tägigen Totengedenken wurde ein Lamm am Grab des Verstorbenen zubereitet – ein symbolischer Akt, der die geistige und körperliche Verbindung mit den Ahnen aufrechterhalten sollte. Diese Rituale fanden über Jahrhunderte hinweg ihren Weg in das orthodoxe Osterfest und verbanden sich mit christlichen Traditionen.
Mit der Entstehung des Christentums bekam das Lamm eine neue, zentrale Bedeutung. Johannes der Täufer bezeichnete Jesus als das „Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). Nach dem Johannesevangelium fiel die Kreuzigung Jesu genau mit der Schlachtung der Pessach-Lämmer zusammen. Durch sein Opfer endete für Christen die Verpflichtung, Tiere als Sühnopfer darzubringen. Dennoch blieb das Lamm ein starkes Erinnerungszeichen an das Leiden und die Auferstehung Christi, weshalb es zu Ostern symbolisch verzehrt wird.
Während der osmanischen Herrschaft verstärkte sich in Griechenland der Wunsch nach Befreiung. Ostern, das Fest der Auferstehung Christi, wurde auch zum Symbol für die Wiedergeburt des griechischen Volkes. Das gemeinschaftliche Festessen am Ostersonntag stand nicht nur für den Sieg des Lebens über den Tod, sondern auch für den unerschütterlichen Freiheitswillen der Griechen.
Noch heute wird dieser tief verwurzelte Brauch in Griechenland mit größter Hingabe gepflegt. In der Nacht zum Ostersonntag erklingen aus tausenden Kehlen die Worte „Christos Anesti!“ (Christus ist auferstanden), worauf geantwortet wird: „Alithos Anesti!“ (Wahrlich, er ist auferstanden). Anschließend versammeln sich Familien und Freunde zu einem ausgedehnten Festmahl, bei dem das am Spieß gegrillte Lamm im Mittelpunkt steht. (mv)
