Der Erisapfel – Wie ein goldener Apfel die Welt in Flammen gelegt hat

Manche Redewendungen tragen Jahrtausende alter Geschichten und sind eng mit der Menschheitsgeschichte verwoben. Eine dieser Redewendungen ist der „Erisapfel“, der oft auch als „Zankapfel“ oder „Apfel der Zwietracht“ bekannt ist. Der Erisapfel steht sinnbildlich für den Kern eines Streits, das Zentrum einer Auseinandersetzung – und seine mythologischen Ursprünge führen uns tief hinein in die Welt der antiken Götter und Helden.
Von HB-Redakteurin Maria Vlachou

Geschichte – Die Geschichte beginnt auf einer Hochzeit – der Hochzeit des Peleus, eines sterblichen Helden, und der Meeresgöttin Thetis, die später die Eltern des legendären Achilleus werden sollten. Die Götterwelt versammelte sich zu dieser feierlichen Zeremonie, jedoch mit einer bemerkenswerten Ausnahme: Eris, die Göttin der Zwietracht, war nicht eingeladen. Ihr Name selbst – abgeleitet von „Eris“, was in der griechischen Sprache „Streit“ oder „Zwietracht“ bedeutet – versprach nichts Gutes. Als Eris von der Feier ausgeschlossen wurde, reagierte sie, wie es für eine Göttin ihres Ranges zu erwarten war: mit Rache.

Eris erschien unerwartet auf der Hochzeitsfeier und warf einen goldenen Apfel unter den Anwesenden. Dieser Apfel trug die Aufschrift „Für die Schönsten“ – eine scheinbar harmlose Geste, die jedoch eine ungeahnte Kette von Ereignissen auslöste. Sofort entbrannte ein Streit unter drei der mächtigsten Göttinnen des Olymps: Hera, die Göttin der Ehe und Familie, Athene, die Göttin der Weisheit und des Krieges, und Aphrodite, die Göttin der Liebe und Schönheit, beanspruchten den Apfel für sich.

Zeus, der Göttervater, weigerte sich, den Streit zu schlichten, wohl wissend, dass keine Entscheidung ohne gravierende Folgen bleiben würde. Stattdessen übertrug er die Verantwortung auf den trojanischen Prinzen Paris, der in der Mythologie als derjenige bekannt ist, der mit einer einzigen Entscheidung die Welt ins Chaos stürzen sollte.

Paris stand nun vor einer unmöglichen Wahl: Sollte er Hera den Apfel geben und sich damit unermessliche Macht sichern? Oder sollte er Athenes Angebot annehmen und unübertroffene Weisheit und Kriegskunst erlangen? Doch Paris entschied sich letztendlich für Aphrodite, die ihm im Gegenzug die Liebe der schönsten Frau der Welt versprach: Helena, die Gattin des spartanischen Königs Menelaos.

Diese Entscheidung war nicht nur eine persönliche, sondern hatte weltpolitische Konsequenzen. Die Entführung Helenas durch Paris führte direkt zum Ausbruch des Trojanischen Krieges, einem der bekanntesten Konflikte der antiken Mythologie, der letztendlich die Stadt Troja dem Untergang weihte.

Die Geschichte des Erisapfels und die darauf folgenden Tragödien sind ein markantes Beispiel dafür, wie kleine, scheinbar unbedeutende Handlungen zu großen Konflikten eskalieren können. Im Laufe der Jahrhunderte ist der „Zankapfel“ zum Sinnbild für jede Art von Streitpunkt geworden, sei es im persönlichen, politischen oder gesellschaftlichen Kontext. Wo auch immer eine scheinbar kleine Meinungsverschiedenheit zu einem großen Streit heranwächst, ist oft von einem „Erisapfel“ die Rede.

Schon der spätantike Schriftsteller Junianus Justinus verwendete den Ausdruck „malum Discordiae“ – der Apfel der Zwietracht – in seinen Schriften, und auch heute noch ist der Begriff fest im Sprachgebrauch verankert.

Der Apfel selbst hat in vielen Kulturen und Mythen eine besondere Bedeutung. In der Bibel symbolisiert er den Sündenfall, während er in der griechischen Mythologie durch den Erisapfel ein Symbol für Streit und Zerstörung wurde. Der goldene Apfel der Eris ist jedoch ein besonders prägnantes Beispiel dafür, wie ein unschuldiges Objekt zum Auslöser für ein epochales Ereignis werden kann.

Der Erisapfel zeigt uns, wie schnell eine kleine Provokation große Folgen haben kann. Die Streitigkeiten um den Apfel der Göttin führen nicht nur zum Trojanischen Krieg, sondern wurden zum Mythos für alle kommenden Generationen – und stehen bis heute für den Auslöser größerer Konflikte.

Im heutigen Sprachgebrauch wird der Ausdruck „Zankappel“ oder „Erisapfel“ oft verwendet, um eine Meinungsverschiedenheit zu beschreiben, bei der ein einzelnes Thema oder Objekt im Zentrum steht. Man spricht von einem Zankapfel, wenn eine Situation durch einen bestimmten Auslöser eskaliert wird, etwa in politischen Verhandlungen, familiären Konflikten oder wirtschaftlichen Auseinandersetzungen. Das Bild des goldenen Apfels, der unter die Göttinnen geworfen wird, ist dabei eine passende Metapher für jene Situationen, in denen ein unbedeutend scheinender Gegenstand einen massiven Streit entfacht. (mv)

Foto: umer_mughal/Pixabay