Die antike griechische Gesellschaft bietet eine faszinierende Vielfalt an Einblicken in die Welt der Prostitution, die sich auf komplexe Weise von heutigen Vorstellungen unterscheidet. Während die Käuflichkeit sexueller Dienstleistungen in vielen Kulturen eher verurteilt oder tabuisiert wurde, war Prostitution in Griechenland aufgeteilt und bis zu einem gewissen Grad gesellschaftlich akzeptiert.
Von HB-Redakteur Panos Ventouris
Geschichte – Vor allem in der klassischen Epoche Griechenlands (5. bis 4. Jahrhundert v. Chr.) lässt sich eine deutliche Unterscheidung zwischen der einfachen Straßenprostitution und dem prestigeträchtigen Hetärentum erkennen, die auch heute noch ein kontrovers diskutiertes Thema in der wissenschaftlichen Forschung ist.
In Griechenland existierte eine klare Trennung zwischen der „profanen Prostitution“ und den „Hetären“, einer Form von Luxusprostitution, die in der oberen Gesellschaftsschicht ihren Platz hatte. Profane Prostituierte, oft Sklavinnen oder Freigelassene, arbeiteten in den belebten Häfen, Stadtvierteln oder in staatlich betriebenen Bordellen. Ihre Dienstleistungen waren für den alltäglichen Mann zugänglich, auch für Sklaven, und zu sehr günstigen Preisen verfügbar. Eine besondere Form war die sogenannte „Flötenmädchen“, die zunächst musikalisch unterhielten, aber später auch sexuelle Dienste anboten.
Diese Art der Prostitution war allgegenwärtig, und moralische Bedenken blieben meist aus. Es gab zwar keine soziale Ächtung der Männer, die diese Dienste in Anspruch genommen haben, jedoch wurde darauf geachtet, dass diese Aktivitäten außerhalb des häuslichen Umfelds stattfanden, um die Ehrbarkeit der Familie zu schützen. Besonders in Athen galt die Ehe als rein institutionelle Verbindung, während außereheliche sexuelle Erfahrungen fast ausschließlich in der Sphäre der Prostitution stattfanden.
Ein besonderer Bereich der Prostitution war das Hetärentum. Hetären wurden oft mit der heutigen Vorstellung von Edelprostituierten verglichen, doch ihre Rolle in der Gesellschaft ging weit über die einfache sexuelle Dienstleistung hinaus. Diese Frauen, häufig gebildet und kultiviert, nahmen an den intellektuellen und gesellschaftlichen Veranstaltungen der Männer teil, insbesondere an den Symposien – den festlichen Trinkgelagen der griechischen Oberschicht. Dort unterhielten sie ihre männlichen Gönner nicht nur durch ihr Aussehen, sondern auch durch Konversation, Musik und Tanz.
Die bekanntesten Hetären wie Aspasia, die als Partnerin des Perikles Berühmtheit erlangte, wurden von Zeitgenossen und späteren Historikern oft als gebildet und einflussreich beschrieben. Allerdings ist die Trennlinie zwischen Hetären und einfachen Prostituierten in der modernen Forschung umstritten. Manche Forscher sehen Hetären als luxuriösere Prostituierte, während andere behaupten, dass der Begriff eher Konkubinen oder Geliebten vorbehalten war.
Ein weiterer, oft weniger beachteter Aspekt der griechischen Prostitution war die männliche Prostitution. Auch hier waren es oft Sklaven, die ihre Dienste anboten. Im Gegensatz zur angesehenen päderastischen Knabenliebe, die in der griechischen Gesellschaft eine Erziehungsfunktion hatte und nicht als Prostitution angesehen wurde, unterlagen männliche Prostituierte strengen gesetzlichen Regelungen. Beispielsweise durften sich Athener Bürger, die sich prostituiert hatten, nicht mehr politisch engagieren.
Ebenfalls umstritten ist die Frage der sakralen Prostitution. Es gibt Berichte über Tempelprostitution, vor allem aus Korinth, wo Frauen angeblich im Dienste der Göttin Aphrodite sexuelle Dienstleistungen gegen Bezahlung anboten. Die Existenz dieser Praxis wird jedoch von modernen Historikern angezweifelt und als möglicherweise mythische Übertreibung abgetan.
Während Hetären in der Oberschicht respektiert werden konnten, war die soziale einfachere Stellung Prostituierter niedriger denkbar. Diese Frauen waren häufig Sklavinnen oder in Not geratene Freigelassene, die aufgrund finanzieller Zwänge in die Prostitution gerieten. Der rechtliche Schutz war minimal, und viele waren ihren Zuhältern oder Bordellbesitzern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Auch die körperlichen Risiken waren enorm – Berichte über zahlreiche Babyskelette in der Nähe antiker Bordelle deuten auf die hohe Kindersterblichkeit hin, die vor allem unerhebliche Kinder betraf.
Prostitution im antiken Griechenland war komplex und in die gesellschaftlichen Strukturen fest eingebunden. Während es für einfache Prostituierte kaum Aufstiegschancen gab, konnte das Leben als Hetäre eine Frau in die höchsten Kreise der Gesellschaft führen. Diese Differenzierung zwischen Unterschicht und Oberschicht, zwischen billigerer Straßenprostitution und dem kultivierten Hetärentum, zeigt eine Gesellschaft, die sexuelle Dienstleistungen als Teil des sozialen Lebens akzeptiert – allerdings stets unter den Bedingungen einer strengen Hierarchie.
Der Blick auf die antike Prostitution bietet interessante Parallelen, aber auch deutliche Unterschiede zu heutigen Vorstellungen von Sexualität, Gesellschaft und Machtstrukturen. Besonders die Rolle der Hetären bleibt ein faszinierendes und umstrittenes Thema, das weiter erforscht werden muss, um die Dynamik der antiken griechischen Gesellschaft vollständig zu verstehen. (pv)