Das Byzantinische Reich, jahrhundertelang ein Bollwerk gegen äußere Feinde, verdankte seine Seemacht einer einzigartigen Waffe, die Feinde in Angst und Schrecken versetzte: das Griechische Feuer. Diese geheime Brandwaffe, deren genaue Zusammensetzung bis heute ein Rätsel bleibt, revolutionierte die Kriegsführung im Mittelalter und trug maßgeblich zum Erhalt des Reiches bei.
Von HB-Redakteurin Soula Dimitriou
Geschichte – Die Erfindung des Griechischen Feuers wird dem griechischen Architekten Kallinikos zugeschrieben, der um das Jahr 677 vor den Arabern nach Konstantinopel floh. Er kombinierte altes Wissen über Brandwaffen mit einer neuen Technologie: einem Siphon, der die brennbare Flüssigkeit gezielt auf feindliche Schiffe abfeuern konnte. Diese entscheidende Innovation ermöglichte es der byzantinischen Flotte, während der Belagerung von Konstantinopel (674–678) die arabischen Angreifer entscheidend zurückzuschlagen. Mit der Zeit wurden kleinere Versionen dieser Waffe entwickelt, wie der Handsiphon, der in späteren Jahrhunderten auch direkt gegen feindliche Soldaten eingesetzt wurde.
Das Griechische Feuer wurde über eine spezielle Spritzvorrichtung, den Siphon, gegen feindliche Schiffe abgefeuert. Die Technik ähnelte einem frühen Flammenwerfer: Mit einer Druckpumpe, ähnlich der von Ktesibios im 3. Jahrhundert v. Chr. erfundenen Feuerspritze, konnte die brennbare Flüssigkeit unter Druck auf das Ziel geschleudert werden. Die Spritzvorrichtung bestand aus Bronze, wurde von unten befeuert und konnte über ein Ventil die brennbare Flüssigkeit freisetzen. Diese Flüssigkeit entzündete sich beim Kontakt mit Luft und brannte sogar auf Wasser weiter – ein wahrhaft erschreckender Anblick für die feindliche Flotte.
Die Reichweite der Siphons war begrenzt, dennoch reichte sie für die Nahkämpfe auf See völlig aus. Besonders gefürchtet war der psychologische Effekt der Waffe: Der Anblick der Flammen genügte oft, um die Moral der feindlichen Mannschaften zu brechen.
Das erste dokumentierte Mal wurde das Griechische Feuer während der Belagerung von Konstantinopel (674–678) gegen die arabische Flotte eingesetzt. Die unaufhaltsamen Flammen, die sich selbst im Wasser weiter ausbreiteten, lösten auf den feindlichen Schiffen verheerendes Chaos aus. In den folgenden Jahrhunderten wurde das Griechische Feuer ein unverzichtbares Element der byzantinischen Seestrategie, insbesondere bei der Abwehr von Belagerungen und in Seekriegen im östlichen Mittelmeerraum.
Zeitgenössische Berichte beschreiben die verheerenden Auswirkungen der Waffe: Sobald das Griechische Feuer die feindlichen Schiffe traf, entbrannten unkontrollierbare Brände. Die Flammen erzeugten ein tosendes Geräusch und riefen Panik hervor. Nicht selten brach jegliche Disziplin an Bord der angegriffenen Schiffe zusammen, während die Flammen das Holz der Schiffe in kürzester Zeit verzehrten.
Die Geheimhaltung um die Rezeptur und Funktionsweise des Griechischen Feuers war so streng, dass selbst nach Jahrhunderten die genaue Zusammensetzung der brennbaren Flüssigkeit unbekannt blieb. Obwohl viele Feinde versuchten, das Griechische Feuer zu kopieren, gelang es niemandem, die Originalwirkung zu replizieren. Byzantinische Chroniken berichten, dass Verräter, die das Geheimnis preisgeben wollten, von göttlichem Feuer vernichtet wurden – ein Symbol für die Bedeutung dieser Waffe für das Reich.
Das Griechische Feuer spielte eine zentrale Rolle in der jahrhundertelangen Seeherrschaft der Byzantiner und trug entscheidend zur Verteidigung des Reiches bei, als es zunehmend an Bevölkerung und Ressourcen verlor. Doch mit dem Fall von Konstantinopel 1453 ging das Wissen über diese Superwaffe für immer verloren. Heute bleibt das Griechische Feuer ein faszinierendes Beispiel für die Macht der Geheimhaltung und die innovative Kriegsführung des byzantinischen Reiches. (sd)