Im Lorbeerhain des Ewigen – Wo Apollon schweigt und Christus spricht

Eingebettet in das lichte, flirrende Staubgold Attikas, an einem stillen Pass durch das Egaleo-Gebirge, ruht ein Ort, an dem Geschichte in Marmor und Gold gefasst ist. Das Kloster Daphni – griechisch Μονή Δαφνίου –, unweit von Athen, trägt in seinen Mosaiken, Mauern und Legenden die ewigen Widersprüche Griechenlands: heidnische Wurzeln und christliche Blüte, abendländisches Streben und östliche Mystik, Untergang und Erneuerung.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler

Reisen/Athen – Nur neun Kilometer vom lärmenden Herz der griechischen Hauptstadt entfernt, liegt das Kloster dort, wo einst Apollons Lorbeer rauschte. Der Name „Daphni“ selbst, abgeleitet vom altgriechischen „δάφνη“, ist ein Echo jener antiken Welt, deren Götter längst verstummt sind, deren Symbole aber im Bewusstsein des Landes überlebten. Es heißt, dass genau hier ein Apollon-Tempel stand, ein Ort der Weissagung und Musik, der Lichtgottheit geweiht, deren Lorbeer der Unsterblichkeit galt.

Foto: Ktiv, CC BY-SA 4.0, wikimedia.org

Im 5. Jahrhundert wurde über diesen heidnischen Fundamenten die erste christliche Kirche errichtet – ein fast ritueller Übergang von Licht zu Licht, von Prophezeiung zur Offenbarung. Um 1080 entstand dann das heutige Bauwerk, ein Meisterwerk byzantinischer Architektur. Die damalige Blüte des Byzantinischen Reiches findet ihren Ausdruck in der sorgfältigen Ikonographie, im goldglänzenden Glanz der Mosaike, die biblische Szenen mit fast überirdischer Ruhe und Würde zeigen.

In der mächtigen Kuppel der Kirche blickt Christus Pantokrator – der Allherrscher – herab, umgeben von Propheten, Erzengeln und Heiligen, mit einer erhabenen Gelassenheit, die alle Zeiten überdauert. Die Wandflächen erzählen die großen Geheimnisse des christlichen Glaubens: Geburt und Taufe, Kreuzigung und Auferstehung, Vision und Trost. Es ist ein Festtagszyklus, der die Augen lehrt, zu glauben, und die Seele zum Verweilen zwingt.

Doch die Geschichte dieses Klosters ist nicht nur in Gold und Stein geschrieben, sondern auch in Blut und Feuer, Glaube und Eroberung. 1206, nach dem Vierten Kreuzzug und der Eroberung von Konstantinopel, übergab Otto de la Roche, der neue lateinische Herrscher von Theben und Athen, die Anlage an Zisterziensermönche aus dem französischen Bellevaux – ein Versuch, lateinisches Christentum in orthodoxem Land zu verwurzeln. Fast zweieinhalb Jahrhunderte, bis 1458, prägte der abendländische Orden das Kloster, verwandelte es in eine stille Bastion westlicher Spiritualität mitten im östlichen Glaubensraum.

Dann kehrte die Orthodoxie zurück – leise und standhaft. Mit der osmanischen Eroberung Athens begann eine neue Epoche: orthodoxe Mönche bezogen wieder das Kloster und machten es zu einem Zentrum geistiger Erneuerung und patriotischen Widerstands. Bis zum Beginn der griechischen Revolution 1821 war Daphni ein Rückgrat im kulturellen Gedächtnis der Nation – dann verfiel es. Der osmanische Staat löste das Kloster auf. Was blieb, war eine ruinenhafte, aber stolze Erinnerung an Zeiten, in denen Mönche gegen das Vergessen anbeteten.

Der Zahn der Zeit nagte weiter. Im 19. Jahrhundert war die Anlage kurzzeitig ein Sanatorium – ein Zeichen des Pragmatismus der Moderne. 1990 erkannte die UNESCO schließlich den unschätzbaren Wert von Daphni und nahm es in die Liste des Weltkulturerbes auf. Doch nur neun Jahre später, im Erdbebenjahr 1999, wurden Kirche und Mosaike erneut schwer beschädigt. Die langwierige Restaurierung ist bis heute im Gange. Seit 2008 ist zumindest der Hof des Klosters wieder öffentlich zugänglich – ein stilles Wunder, das Besucher aus aller Welt anzieht.

Nicht nur Gläubige und Kunstliebhaber finden hier Einkehr. Im Herbst, wenn der Mavrodafni – jener schwere, süße Wein mit dem Namen der Lorbeerfrau – beim traditionellen Weinfest fließt, wird Daphni lebendig. Die Vergangenheit blitzt in goldenen Tropfen auf, Apollon scheint kurz zu lächeln, und das byzantinische Licht spiegelt sich in jedem Glas. (sk)

Foto: Ktiv, CC BY-SA 4.0, wikimedia.org