Wenn im Frühling die ersten Sonnenstrahlen das Land erwärmen, beginnt in Griechenland ein Naturschauspiel von einzigartiger Schönheit: Die Narzissen entfalten ihre leuchtenden Blüten und überziehen die Wiesen, Berghänge und Küstenregionen mit ihrem unverwechselbaren Farbenspiel. Doch diese zauberhaften Blumen sind nicht nur eine Augenweide, sondern tragen auch eine tiefe mythologische und kulturelle Bedeutung in sich.
Von HB-Redakteur Panos Ventouris
Natur & Umwelt – Narzissen (Narcissus) gehören zur Familie der Amaryllisgewächse (Amaryllidaceae) und sind mit mehr als 50 bis 85 Arten in Europa, Nordwestafrika und Teilen Asiens verbreitet. Besonders in Griechenland sind einige Wildarten heimisch, darunter die Dichternarzisse (Narcissus poeticus) und die Strauß-Narzisse (Narcissus tazetta). Die Pflanzen zeichnen sich durch ihre leuchtend gelben, weißen oder orangefarbenen Blüten aus, die oft von einem betörenden Duft begleitet werden. Ihre sechsstrahligen Blütenhüllblätter umgeben eine markante Nebenkrone, die in der Antike als Symbol der Schönheit und Vergänglichkeit galt.

Obwohl Narzissen hauptsächlich in Westeuropa beheimatet sind, finden sich einige Arten auch an den Küstenregionen des östlichen Mittelmeers. Besonders in den gebirgigen Regionen Griechenlands, wie im Pindos-Gebirge oder auf der Halbinsel Peloponnes, trifft man auf wilde Bestände dieser eindrucksvollen Pflanzen. Die frühblühenden Narzissen sind hier oft Vorboten des Frühlings und stehen in harmonischem Kontrast zur sonst noch winterlichen Landschaft.
Eine besonders berühmte Art ist die Dichternarzisse, die auf den Hochebenen Thessaliens und Makedoniens in großen Beständen wächst. Ihr betäubender Duft war es vermutlich, der ihr den Namen verlieh, der sich vom griechischen Wort narkein (betäuben) ableitet. Diesen intensiven Duft nutzten die alten Griechen auch für Parfums und rituelle Zwecke.
Die Narzisse ist tief in der griechischen Mythologie verwurzelt. Besonders bekannt ist die Sage von Narziss, dem schönen Jüngling, der sein eigenes Spiegelbild liebte und sich in den Wassern eines Sees verlor. Aus seinem Körper wuchs eine Blume, die bis heute seinen Namen trägt. Die Legende wurde von Ovid in seinen Metamorphosen überliefert und diente als Sinnbild für Selbstverliebtheit und Vergänglichkeit.
Doch auch in anderen Mythen taucht die Narzisse auf: So soll sie auf den Feldern gewachsen sein, als Hades die jungfräuliche Persephone in die Unterwelt entführte. Ihr Duft betörte Persephone und machte sie unachtsam, sodass sie den dunklen Gott nicht kommen sah. Seither gilt die Narzisse in Griechenland als Pflanze der Unterwelt und wurde oft in Grabbeigaben verwendet.
Seit der Renaissance hat die Narzisse einen festen Platz in der europäischen Gartenkultur. Bereits um 1560 wurden sie gemeinsam mit Tulpen und Hyazinthen in die formalen Gärten eingeführt. Heute gibt es weltweit mehr als 24.000 Kulturformen, die von Züchtern auf unterschiedliche Blütenformen und Farben optimiert wurden. Auch in Griechenland werden Narzissen in Parks und privaten Gärten geschätzt, wo sie als Sinnbild für Frühling und Wiedergeburt gelten. (pv)
