In der stillen Poesie des Marmors erwacht eine Szene zum Leben, die gleichermaßen zart wie tiefgründig ist: Ein jugendlicher Apollon, nackt und anmutig, lehnt sich lässig an einen Baumstamm, den Blick auf eine kleine Eidechse gerichtet, die emporzuklettern versucht. In seiner rechten Hand hält er einen Pfeil, doch sein Ausdruck verrät keine Feindseligkeit, sondern vielmehr Neugier und spielerische Absicht.
Von HB-Redakteur Jorgos Kontos
Geschichte – Diese Darstellung, bekannt als Apollon Sauroktonos – der „Echsentöter“ –, stammt ursprünglich von dem berühmten griechischen Bildhauer Praxiteles aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. Praxiteles war bekannt für seine Fähigkeit, Götter in menschlicher Gestalt darzustellen, voller Anmut und natürlicher Schönheit. Seine Werke, darunter auch die berühmte Aphrodite von Knidos, zeichneten sich durch eine sanfte Modellierung und eine betonte Körperhaltung aus, die Bewegung und Ruhe zugleich ausdrückten.
Die Originalbronze des Apollon Sauroktonos ist verloren gegangen, doch zahlreiche römische Marmorkopien haben die Zeit überdauert. Eine besonders bekannte Version befindet sich im Louvre in Paris, eine andere in den Vatikanischen Museen. Diese Kopien zeigen den jungen Apollon in einer Haltung, die sowohl entspannt als auch aufmerksam ist, was die Ambivalenz zwischen kindlicher Unschuld und göttlicher Macht unterstreicht.
Die Interpretation dieser Skulptur ist vielfältig. Einige sehen in der Szene eine Anspielung auf den Mythos, in dem Apollon den Drachen Python tötet, wobei die Eidechse als Symbol für das Böse oder das Chaotische gedeutet wird. Andere interpretieren die Darstellung als eine Metapher für Apollons Rolle als Heiler und Lichtbringer, der Krankheiten vertreibt – die Eidechse könnte hier ein Sinnbild für Krankheit oder Dunkelheit sein.
Ein bemerkenswerter Fund im Jahr 1991 brachte eine Bronzestatue ans Licht, die möglicherweise eine originale Arbeit von Praxiteles ist. Diese Statue wurde angeblich auf einem Gutshof in Sachsen entdeckt und befindet sich heute im Cleveland Museum of Art. Die Herkunft der Statue ist umstritten; Griechenland erhebt Anspruch auf das Werk und vermutet, dass es aus dem Ionischen Meer geborgen wurde. Untersuchungen der Patina deuten jedoch darauf hin, dass die Statue nicht im Meer gelegen hat, was die Debatte um ihre Provenienz weiter anheizt. (jk)

