Von der Inselwelt zurück auf die Bühne der Weltmusik: Wie die Tsampouna ihren Platz in der modernen Musikkultur wiederfindet.
Von HB-Redakteur Jorgos Kontos
Geschichte – Inmitten der azurblauen Ägäis, wo das Rauschen der Wellen und das Zirpen der Zikaden den Rhythmus des Lebens bestimmen, hallt ein Klang durch die Dörfer, der tief in der Geschichte Griechenlands verwurzelt ist – der archaische Ton der Tsampouna. Dieses faszinierende Musikinstrument, ein urgriechischer Vertreter der Dudelsack-Familie, ist nicht nur ein Stück kulturelles Erbe, sondern heute auch Symbol einer musikalischen Wiedergeburt.

Die Tsampouna, auch Tsambouna genannt (griechisch: τσαμπούνα), ist ein einzigartiger, bordunloser Dudelsack mit zwei Melodierohren. Traditionell aus einem einzigen Ziegenbalg gefertigt und durch das Mundblasen befüllt, erzeugt sie einen durchdringenden, rauen Klang, der das Herz jahrhundertealter griechischer Festkultur bildet. Vor allem auf den Inseln wie Naxos, Paros, Kalymnos oder Ikaria war sie über Jahrhunderte hinweg ein fester Bestandteil des ländlichen Alltags und dörflicher Feste.
Etymologisch geht der Begriff Tsampouna auf das italienische „zampogna“ zurück, das wiederum mit dem altgriechischen Wort sumfōnia (συμφωνία – Einklang, Zusammenklang) verwandt ist. Dieser Ursprung deutet bereits auf das hin, was das Instrument am besten verkörpert: gemeinschaftliches Musizieren, ein rhythmisches Band zwischen Menschen und Generationen.
Während der Großteil Europas im 20. Jahrhundert eine Renaissance traditioneller Dudelsäcke erlebte, galt Griechenland lange Zeit als Ausnahme. Der Musikethnologe Wolf Dietrich stellte 2006 ernüchtert fest, dass der Dudelsack hierzulande nicht wiederbelebt wurde – mit einer wichtigen Ausnahme: der Insel Ikaria. Dort lebt die Tsampouna seit einigen Jahren wieder auf. Junge Musiker entdecken das Instrument neu, bauen es nach, komponieren eigene Stücke und integrieren es in ein breiteres musikalisches Spektrum – von Volksmusik über Fusion bis hin zur Weltmusik.
Die moderne Tsampouna-Szene verwebt Vergangenheit und Gegenwart. Ihre neue Tradition respektiert die alte, geht aber darüber hinaus: mit einem erweiterten Repertoire, modernen Arrangements und offenerem Publikum. Die Musik verliert ihre rein lokale Verwurzelung und entwickelt sich zur griechischen „Lingua franca“ unter den Weltmusikfans – eine musikalische Sprache, die geografische und kulturelle Grenzen überschreitet.
Auch kulturelle Institutionen tragen zum Aufschwung bei. So zeigt etwa das Kotsanas-Museum für Altgriechische Technologie in Athen eine moderne Rekonstruktion des „Askaulos“, eines historischen Vorgängers der Tsampouna. Es ist ein greifbares Zeichen dafür, wie antike Klänge in die Gegenwart überführt werden – nicht als Relikte, sondern als lebendige Inspirationsquellen.
Heute findet die Tsampouna ihren Platz auf Festivals, in urbanen Clubs, auf internationalen Bühnen und natürlich – ganz ursprünglich – bei den ausgelassenen Festen der Ägäis. Mit jedem geblasenen Ton wird sie Teil einer neuen Geschichte, die altes Wissen, emotionale Tiefe und musikalische Innovation miteinander verwebt. (jk)

