Von der Dunkelheit ins Licht: Ein Blick auf das älteste astronomische Ritual der Menschheit – mit einem Hauch hellenischer Göttermagie.
Von HB-Redakteurin Maria Georgiou
Aktuell – Sonntag, 21. Dezember 2025, um 17:02 Uhr (Osteuropäische Zeit) … Wenn der Tag seinen kürzesten Schatten wirft und die Nacht ihren tiefsten Mantel ausbreitet, hält die Welt den Atem an: Die Wintersonnenwende, ein uraltes Naturereignis, das seit Jahrtausenden Menschen zu mystischen Deutungen und rituellen Handlungen inspiriert. Auch im antiken Griechenland wurde dieses kosmische Schauspiel nicht nur beobachtet – es war tief verwoben mit Mythen, Göttergeschichten und der ewigen Hoffnung auf Wiedergeburt und Licht.
Astronomisch markiert die Wintersonnenwende den Wendepunkt des Sonnenlaufs: Die Sonne erreicht auf der Nordhalbkugel den tiefsten Stand über dem Horizont. Danach kehrt das Licht langsam zurück, die Tage werden wieder länger. Für unsere Vorfahren – ohne elektrisches Licht, eng verbunden mit dem Rhythmus der Natur – war dies ein Moment von tiefer symbolischer Bedeutung.
Im antiken Griechenland war die Sonnenwende eng verknüpft mit der zentralen Mythenerzählung um Persephone, der Tochter der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter. Der Mythos besagt, dass Persephone von Hades, dem Gott der Unterwelt, entführt wurde, um an seiner Seite in der Dunkelheit zu herrschen. Als sie verschwand, trauerte Demeter so sehr, dass sie die Fruchtbarkeit der Erde entzog – es wurde kalt, alles verdorrte. Erst wenn Persephone jährlich zur Oberfläche zurückkehren durfte, erwachte das Leben erneut.
In dieser Legende liegt der symbolische Kern der Sonnenwende verborgen: Ein Abstieg in die Dunkelheit, das Verharren in der Stille – gefolgt von der Rückkehr des Lichts, der Wärme und des Lebens. Die Wintersonnenwende war somit nicht nur ein astronomischer Fixpunkt, sondern auch ein spiritueller Akt der Hoffnung: Die Welt stirbt nicht – sie ruht, um wiedergeboren zu werden.
Obwohl es in Griechenland kein offizielles „Sonnenwendfest“ wie im germanischen oder keltischen Raum gab, zeigen archäologische Funde und literarische Quellen, dass der Wandel der Jahreszeiten tief in religiöse Rituale eingebettet war. Die Eleusinischen Mysterien, eines der geheimnisvollsten Kulte des Altertums, standen ganz im Zeichen der Persephone-Demeter-Mythologie. Die Einweihung in diese Mysterien versprach ein tieferes Verständnis von Tod und Wiedergeburt – ein zentrales Thema der Sonnenwende.
Heute wird die Wintersonnenwende wieder zunehmend zelebriert – in Griechenland mit modernen Interpretationen, Naturritualen, Musik- und Lichtfesten, oft im Schatten antiker Tempel, die einst dem Sonnengott Helios oder dem allsehenden Apollon geweiht waren. Besonders eindrucksvoll ist der Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende in Delphi, dem „Nabel der Welt“ der Antike. Wenn die ersten Strahlen durch die Ruinen des Apollon-Tempels brechen, scheinen sie nicht nur Stein zu wärmen – sondern auch Erinnerung. Erinnerung an eine Zeit, in der Menschen mit dem Himmel sprachen und Götter durch Sonnenstrahlen wandelten. (mg)

