Es war ein Sommer, in dem die Kamera das Herz des Schwarzwalds eroberte. Hinterzarten, 1984: Ein ganzes Fernsehteam des ZDF schlug sein Quartier in Containern auf, und das kleine Tal wurde für Wochen zum Mittelpunkt deutscher Wohnzimmer. Zwischen dichten Tannen, rauschenden Bächen und nebelverhangenen Bergen begannen die Dreharbeiten, die eine Serie erschaffen sollten, die Geschichte schreiben würde: „Die Schwarzwaldklinik“.
Von HB-Redakteurin Nadja Becker
Weltweit – Über 31 verschiedene Drehorte im Schwarzwald verstreut, von idyllischen Dörfern bis zu versteckten Waldwegen, rollten Kameras und Kabel durch die Region. Das Herzstück jedoch war der Carlsbau in Glottertal, eine Kurklinik der Landesversicherungsanstalt Württemberg, die durch das Fernsehen zu einem Symbol für Schwarzwaldromantik wurde. Mit seinem markanten Halbwalm und der grünen, fast unwirklich schönen Umgebung war das Gebäude wie geschaffen für die medizinischen Dramen und menschlichen Geschichten, die Woche für Woche Millionen von Zuschauern fesselten.
Am 22. Oktober 1985 erblickte die erste von insgesamt 70 Folgen das Licht der Fernsehwelt. Sofort schlug die Serie ein wie ein Donner: Bis zu 28 Millionen Menschen saßen gebannt vor den Bildschirmen, diskutierten über Patientenfälle, Liebesgeschichten und Ärzteintrigen. Die Schwarzwaldklinik avancierte nicht nur zur erfolgreichsten deutschen Serie, sie verwandelte Glottertal in eine Pilgerstätte für Fans und Medienvertreter gleichermaßen.

Der Andrang war überwältigend. Bereits während der Dreharbeiten 1986 mussten die Wege zur Klinik weiträumig abgesperrt werden. Besucher standen mit Karte in der Hand und staunten, dass der Titisee, der auf der Leinwand so nah wirkte, tatsächlich 35 Kilometer entfernt lag. Das Brinkmann-Haus, im Serienkontext nur einen Steinwurf entfernt, befand sich in Wirklichkeit in Grafenhausen, rund 60 Kilometer entfernt. Die Faszination für die Serie ließ jedoch alle geografischen Details in den Hintergrund treten. Der Carlsbau selbst blieb eine funktionierende Klinik; die Besucher konnten die Außenfassade bewundern, die Innenräume jedoch nur den Patienten und Mitarbeitern vorbehalten.
Das Medieninteresse gipfelte in einer Art nationaler Begeisterung: Zeitungen, Radio und Fernsehen berichteten über jede neue Folge, jede romantische Begegnung, jeden dramatischen Krankenhausfall. Der Schwarzwald wurde nicht länger nur als touristisches Ziel wahrgenommen, sondern als lebendige Filmkulisse, die Realität und Fiktion auf einzigartige Weise verschmolz.

Fast zwei Jahrzehnte später, im Sommer 2004, erlebte die Legende eine Neuauflage. Für das 20-jährige Jubiläum kamen die Originaldarsteller wieder zusammen, um ein Special vor den vertrauten Kulissen zu drehen. Die Außenaufnahmen fanden erneut vor dem Carlsbau statt, Szenen aus der Heimat der Familie Brinkmann wurden im Heimatmuseum „Hüsli“ in Grafenhausen gedreht, die Kliniksequenzen in Titisee-Neustadt. Höhepunkt war die festliche Hochzeit auf der Blumeninsel Mainau, deren Barockkirche die Kamera für Millionen Zuschauer in Szene setzte. Am 20. Februar 2005 verfolgten über 14 Millionen Menschen die Jubiläumssendung im ZDF und tauchten erneut ein in die Welt der Schwarzwaldklinik.
Wer heute den Carlsbau besucht, spürt den Glanz dieser Fernsehgeschichte. Besucher parken am öffentlichen Parkplatz an der Talstraße beim Panorama-Freibad und legen einen 15-minütigen Fußweg leicht ansteigend zurück. Die Klinik selbst bleibt ein funktionierendes Haus, das nur von außen bestaunt werden kann – ein stiller Zeuge der Ära, in der der Schwarzwald ins Fernsehen zog und Millionen Herzen eroberte. (nb)

