Reggio Calabria, die südlichste Stadt des italienischen Festlandes, birgt ein verborgenes Erbe, das tief in die Geschichte der griechischen Antike zurückreicht. Als Rhegion gegründet – eine der ersten und bedeutendsten griechischen Kolonien auf italienischem Boden – ist Reggio bis heute ein lebendiges Zeugnis hellenistischer Kultur im Herzen des Mittelmeers.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler
Reisen – Bereits im 8. Jahrhundert v. Chr. von Siedlern aus Chalkis gegründet und später von Messeniern mitgeprägt, entwickelte sich Rhegion durch Handel und Seemacht zu einem florierenden Zentrum der Magna Graecia. Bis heute prägen griechische Spuren das Stadtbild und das kulturelle Selbstverständnis dieser geschichtsträchtigen Metropole.
Ein bedeutendes Symbol des griechischen Erbes sind die Bronzen von Riace, die im Archäologischen Nationalmuseum von Reggio Calabria ausgestellt sind. Diese heroischen Statuen aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. zählen zu den spektakulärsten Funden klassischer Kunst weltweit. Ihre muskulösen Körper und detailreichen Gesichtszüge erzählen von einem goldenen Zeitalter, das durch Kunst, Philosophie und Wissenschaft geprägt war.

Doch das griechische Erbe der Stadt reicht weit über Museen hinaus. Reste antiker Stadtmauern, Bodenmosaike römischer Thermen, Straßenzüge und architektonische Details zeugen von einer ungebrochenen Kontinuität kultureller Einflüsse. In der Kathedrale von Reggio Calabria, die nach dem verheerenden Erdbeben von 1908 im neoromanisch-byzantinischen Stil wiederaufgebaut wurde, vereinen sich römisch-katholische Frömmigkeit und byzantinisch-griechisches Erbe zu einem harmonischen Ganzen.
Reggio Calabria steht sinnbildlich für die kulturelle Verschmelzung Europas. Hier, wo die Straße von Messina das italienische Festland von Sizilien trennt, stoßen Nord und Süd, Ost und West, Antike und Moderne aufeinander – eine Brücke zwischen den Zeiten. Der Geist der alten Griechen lebt in den Gassen, auf den Plätzen und in den Herzen der Einwohner weiter.
Die Geschichte Reggios ist auch eine Geschichte von Eroberungen, Aufständen, Naturkatastrophen – und unerschütterlichem Wiederaufbau. Von den Tyrannen der Antike über normannische Kreuzfahrer bis hin zur modernen Mafia-Geschichte zeigt sich: Reggio bleibt stark. Und wer genau hinsieht, der erkennt: Es sind die griechischen Wurzeln, die der Stadt bis heute ihre Seele geben. (sk)
