Marseille – Wo Griechenland auf Frankreich trifft

Die französische Hafenstadt Marseille, pulsierend und kantig zugleich, erzählt eine Geschichte, die weit über Frankreichs Grenzen hinausreicht – bis in das antike Griechenland.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler

Reisen – Wer durch die engen Gassen des Vieux-Port schlendert oder den Blick von der Basilika Notre-Dame de la Garde aufs Mittelmeer wirft, spürt den Hauch einer anderen Zeit – jener Epoche, als Marseille noch „Massalia“ hieß und als griechische Kolonie geboren wurde.

Foto: Julian Hacker/Pixabay

Um 600 v. Chr. landeten griechische Seefahrer aus Phokaia, einer Stadt in Kleinasien, an der schroffen Küste des heutigen Marseille. Mitgebracht hatten sie nicht nur Töpferkunst und Handelstradition, sondern auch den Namen und die Identität einer neuen Stadt. Massalia wurde gegründet – ein Außenposten hellenistischer Kultur im Westen Europas. Diese griechische Apoikie entwickelte sich schnell zu einem florierenden Handelszentrum. Ihre Lage an der Mündung zur Rhone ermöglichte nicht nur wirtschaftlichen Aufschwung, sondern ließ Marseille zum Tor der griechischen Welt in Gallien werden.

Die Legende von Protis und Gyptis – dem griechischen Seefahrer und der einheimischen Fürstentochter – erzählt symbolisch von einer friedlichen Verschmelzung zweier Kulturen. Es war diese Verbindung, die Marseille seine besondere Offenheit und kulturelle Vielfalt verlieh, die bis heute in den Adern der Stadt pulsiert.

Überall in Marseille begegnet man den Spuren der Griechen: von archäologischen Ausgrabungen am Jardin des Vestiges, wo Reste der antiken Stadtmauer und eines griechischen Hafens erhalten sind, bis zu Münzen mit dem Kopf der Göttin Artemis. Die Struktur des alten Massalia lebt in der heutigen Stadt weiter – verwoben mit römischem, mittelalterlichem und kolonialem Erbe.

Doch Marseille ist mehr als nur ein Museum unter freiem Himmel. Es ist eine lebendige Hafenstadt, ein kulturelles Schmelztiegel, in dem die Vergangenheit nicht verstaubt, sondern mitschwingt – in der Sprache, der Küche, der Musik.

Auch kulinarisch lebt das griechische Erbe weiter. Frischer Fisch, Olivenöl, Kräuter, Fenchel – Zutaten, die sowohl in der Provence als auch in der Ägäis zuhause sind. Wer die Fischsuppe Bouillabaisse genießt, schmeckt nicht nur Marseille, sondern auch ein Stück antikes Hellas.

Marseille verbindet wie kaum eine andere Stadt das Antike mit dem Zeitgenössischen, das Griechische mit dem Französischen. Für Reisende, die Kultur, Geschichte und Sonne suchen, ist sie ein ideales Reiseziel – und ein Ort, an dem Griechenland am französischen Mittelmeer weiterlebt.

Marseille ist nicht nur Frankreichs älteste Stadt, sondern auch ein Stück Griechenland in der Provence. Eine Stadt, in der sich die Geschichte der Mittelmeerkulturen spiegelt – von den ersten griechischen Kolonisten bis zur heutigen Metropole. Wer Marseille bereist, erlebt eine kulturelle Zeitreise, die am Mittelmeer beginnt – und in der Vergangenheit Griechenlands wurzelt. (sk)

Foto: Julian Hacker/Pixabay