Magna Graecia: Griechenlands ewiges Echo in den Tälern und Tempeln Italiens

Süditalien – ein Landstrich, der auf den ersten Blick italienischer kaum wirken könnte. Doch wer die Augen für die Vergangenheit öffnet, entdeckt in Apulien, Kalabrien, Kampanien und auf Sizilien Spuren eines antiken Griechenlands, das hier seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. tief verwurzelt ist.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler

Reisen – Die sogenannte Magna Graecia – Großgriechenland – war einst ein kulturelles Kraftzentrum, das hellenische Sprache, Kunst, Architektur und Philosophie weit über das Ägäische Meer hinaus trug.

Heratempel bei Metaponto (Lukanien) – Foto: Σπάρτακος, CC BY-SA 3.0, wikimedia.org

Griechische Siedler, Oikisten genannt, gründeten hier keine einfachen Kolonien, sondern eigenständige Stadtstaaten: Poleis, die sich wie leuchtende Sterne über die italienische Küstenlinie verteilten. Tarent, Neapolis (heute Neapel), Sybaris, Kroton, Rhegion und viele mehr wurden zu florierenden Metropolen, deren Glanz in den Tempeln von Paestum, Metapontion oder Agrigent noch heute sichtbar ist. Diese Städte standen nicht nur für Wohlstand, sondern auch für die Verbreitung griechischer Kultur – durch Handel, politische Systeme und Sprache.

Besonders eindrucksvoll zeigt sich die Präsenz Griechenlands im süditalienischen Alltag bis heute: In der Musik, in der Küche, in Ortsnamen – und nicht zuletzt in der Sprache. In Kalabrien und auf der Halbinsel Salento in Apulien lebt mit dem Griko ein letztes sprachliches Echo dieser alten Kultur. Diese Mischsprache verbindet Altgriechisch mit byzantinischen und romanischen Elementen und wird heute nur noch von wenigen Menschen gepflegt – ein lebendiges Denkmal einer untergegangenen Welt.

Auch die Klöster der Basilianermönche, die sich in byzantinischer Zeit in die Felsenlandschaften der Murgia zurückzogen, erzählen von einer erneuten griechischen Welle, die im Mittelalter noch einmal durch Süditalien schwappte. Die Felsenkirchen von Matera, Massafra oder Grottaglie tragen bis heute Fresken des byzantinischen Ritus – ein Beweis für die spirituelle Tiefe des griechischen Erbes.

Magna Graecia war kein Staat, sondern eine Idee: Der Traum von einer zweiten Heimat für das hellenische Denken, das sich – wie die Wellen des Mittelmeers – unaufhaltsam ausbreitete. Zwischen den dorischen Säulen Siziliens und den griechischen Dialekten Apuliens lebt dieses Erbe weiter – als kulturelle Brücke zwischen zwei Welten. (sk)

Selinunt: Trümmer des Tempels E (Sizilien) – Foto: pjt56, CC BY-SA 3.0, wikimedia.org