Licht über dem ionischen Horizont – Wo Griechenlands Geschichte in Stein und Strahl leuchtet

Im fernen Westen Griechenlands, dort wo sich das Ionische Meer im ewigen Spiel mit dem Licht verliert, erhebt sich ein stiller Wächter aus vergangenen Zeiten: der Sideros-Leuchtturm, Φάρος Σίδερο genannt, auf der Alten Festung von Korfu.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler

Reisen – Dieses ehrwürdige Bauwerk, das auf den ersten Blick wie eine stille Randnotiz in der Geschichte erscheint, erzählt bei näherer Betrachtung eine tiefgründige Geschichte über die nautische, politische und kulturelle Entwicklung Griechenlands. Seine Linsen reflektieren nicht nur das Sonnenlicht, sondern auch Jahrhunderte europäischer Geschichte, die untrennbar mit der Insel Korfu und ihren zahlreichen Einflüssen verwoben ist.

Korfu – eine Insel, die schon von Homer erwähnt wurde, über Jahrhunderte im Fadenkreuz mächtiger Reiche lag, und deren strategische Lage zwischen West und Ost sie zur begehrten Bastion der Seefahrt machte – wurde im 16. Jahrhundert von den Venezianern mit der Alten Festung befestigt. Die Festung, Akra Sidhero genannt, wurde auf einem felsigen Kap errichtet und sollte die Stadt vor osmanischen Angriffen schützen. Inmitten dieser Wehranlage errichteten die Briten 1822, während ihrer Verwaltung des Protektorats der Republik der Ionischen Inseln, den acht Meter hohen Leuchtturm. Als erster einer geplanten Kette von dreizehn Leuchtfeuern auf den Ionischen Inseln diente er nicht nur der Schifffahrtssicherheit, sondern symbolisierte auch die britische Seeherrschaft im östlichen Mittelmeerraum.

Mit dem Bau des Sideros-Leuchtturms begannen die Ionischen Inseln ihre moderne Geschichte im Kontext eines vereinten Griechenlands. Denn im Jahr 1863 wurden sie offiziell an das neu gegründete Königreich Griechenland übergeben – und mit ihnen das Netzwerk der britisch errichteten Leuchttürme, das fortan unter griechischer Obhut stand. Ein deutliches Zeichen dafür, wie sehr sich geopolitische Strömungen in den stillen Winkeln der Architektur manifestieren.

Der aus Naturstein gefertigte runde Turm ragt unbeirrt über die Bastion hinaus, seine unverputzten Mauern tragen die Patina der Zeit. Anfangs mit einem einfachen festen Licht ausgestattet, wurde der Leuchtturm bald mit einer Fresnellinse vierter Ordnung ausgestattet – gefertigt in den Werkstätten der renommierten französischen Firma Sautter, Lemonier et Cie. Diese technologische Aufwertung stellte sicher, dass das Licht des Leuchtturms nicht nur über die Wellen hinausstrahlte, sondern auch Griechenlands Anschluss an die damalige europäische Ingenieurskunst symbolisierte. Die Laterne mit dem grün gestrichenen Dach, das sich schützend über das Licht wölbt, leuchtet heute mit einem modernen Leuchtfeuer, gespeist von elektrischer Energie – ein Wandel, der 1992 den endgültigen Abschied von der Acetylenbeleuchtung markierte.

Seit 1887 obliegt der griechischen Leuchtturmdienststelle Ypourgeio Faros (Y.Faron) die Verantwortung für Betrieb und Wartung der Leuchtfeuer. Mit Sitz in Piräus, dem Herzen der griechischen Seefahrt, trägt diese Einrichtung zur sicheren Navigation entlang der zerklüfteten Küsten des Landes bei – eine stille, doch essenzielle Leistung für das maritime Griechenland.

Heute steht der Sideros-Leuchtturm nicht nur unter Denkmalschutz, sondern ist ein Teil des archäologischen Erbes der Insel. Seit 2007 ist die Altstadt von Korfu mit ihrer Festung und dem Leuchtturm UNESCO-Weltkulturerbe – eine Anerkennung, die die kulturelle Tiefe und historische Bedeutung dieser Orte unterstreicht. Hier verschmilzt venezianische Wehrarchitektur mit britischem Navigationssystem und griechischer Identität zu einem harmonischen Mosaik europäischer Geschichte.

Dass der Leuchtturm auch auf dem 500-Drachmen-Geldschein zwischen 1983 und 2002 abgebildet war, verleiht ihm darüber hinaus eine symbolische Dimension im kollektiven Gedächtnis der griechischen Bevölkerung. Als das Licht der Drachme schließlich dem Sternenkreis des Euro wich, blieb der Leuchtturm bestehen – als lebendiges Denkmal griechischer Geschichte, ein Stein gewordener Leitsatz über die Zeiten hinweg. (sk)

Foto: Marc Ryckaert (MJJR), CC BY 3.0, wikimedia.org