An der malerischen Südküste Siziliens, nahe der heutigen Ortschaft Montallegro, liegt die stille Zeugin einer bewegten Vergangenheit: die antike Stadt Herakleia Minoa, gegründet als griechischer Außenposten – einst ein leuchtender Splitter hellenischer Kultur in der Ferne.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler
Reisen – Bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. war Selinus, eine mächtige dorische Kolonie an der Südwestküste Siziliens, bemüht, seinen Einfluss auszudehnen. So entstand Herakleia Minoa als befestigter Vorposten – strategisch an der Mündung des Flusses Halykos gelegen, rund 35 Kilometer nordwestlich von Akragas, dem heutigen Agrigent. Der Name selbst verweist auf den sagenhaften griechischen Helden Herakles (Herkules) und Minos, König von Kreta – ein Mythos, der der Gründung eine göttlich-heroische Aura verlieh.
Der berühmte Historiker Herodot (5,46) erwähnt die Gründung in Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen griechischen Siedlern. Über die Jahrhunderte hinweg wechselte Herakleia Minoa mehrfach die politischen Zugehörigkeiten: 405 v. Chr. fiel sie durch Vertrag an Karthago, Dionysios I. von Syrakus eroberte sie kurz darauf zurück, bevor sie 383 v. Chr. erneut in karthagische Hände fiel.
Besonders bedeutsam war das Jahr 357 v. Chr., als Dion von Syrakus, im Exil in Griechenland vorbereitet, hier landete, um die Tyrannei in Syrakus zu beenden. Herakleia Minoa wurde so zum Schauplatz griechischen Widerstandsgeistes – ein weiteres Kapitel der Verbundenheit zwischen Hellas und Sizilien.
Auch Agathokles, der tyrannische Herrscher von Syrakus, und der epirotische König Pyrrhos nutzten Herakleia Minoa im 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. als Stützpunkt in den Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft auf der Insel.
Noch heute ist der Einfluss Griechenlands in den Ruinen spürbar: Das griechische Theater, mit Blick aufs Meer erbaut, scheint Geschichten von Tragödien und Göttern zu flüstern. Die Säulenreste, die antiken Straßen und die Ausgrabungsfunde im kleinen Antiquarium am Eingang erzählen vom hellenischen Alltag – zwischen Götterglaube und Handelsgeschick.
Nicht weit von der antiken Stadt liegt zudem ein geologisches Highlight: der GSSP-Punkt des Zancleums, welcher das unterste Zeitintervall des Pliozäns markiert – ein Ort, an dem Erdgeschichte und Menschheitsgeschichte sich nahezu berühren. (sk)

