Die sanften Wellen der Ägäis täuschen über einen der dynamischsten Wirtschaftszweige Griechenlands hinweg: die Aquakultur. Während Olivenöl und Tourismus lange als Aushängeschilder der griechischen Wirtschaft galten, hat sich in den letzten Jahren die Fischzucht als eine der tragenden Säulen etabliert.
Von HB-Redakteur Panos Ventouris
Aktuell/Wirtschaft/Natur & Umwelt – Besonders begehrt im Ausland sind griechische Seebrassen und Wolfsbarsche – edle Speisefische, die in französischen und italienischen Restaurants auf den Tellern landen. Doch was bedeutet dieser Boom für Griechenland? Ist die Aquakultur der Rettungsanker aus der wirtschaftlichen Krise oder ein ökologisches Pulverfass?
Fisch war 2023 das zweitwichtigste Exportgut Griechenlands – noch vor dem beliebten Olivenöl. Die Branche beschäftigt rund 20.000 Menschen und zeigt sich als eine der wenigen mit stabiler Nachfrage, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Der griechische Staat setzt große Hoffnungen auf die Fischzucht, die durch die Unterstützung der Europäischen Union mit 92 Millionen Euro weiter ausgebaut werden soll. Bereits jetzt gibt es 25 offizielle Standorte für Aquakulturen, darunter wichtige Zentren in Mesolongi, Kefalonia und Sithonia auf Chalkidiki. Besonders ambitioniert sind die Pläne für die Insel Poros im Saronischen Golf, die zu einem der bedeutendsten Aquakulturstandorte des Landes entwickelt werden soll.
Doch genau hier regt sich Widerstand. Die geplanten Fischzuchtanlagen sollen ein Viertel der Insel bedecken – 600 Hektar an Land und 269 Hektar im Meer. Während Investoren von einer Verachtfachung der Produktion auf 8.800 Tonnen jährlich träumen, fürchten viele Bewohner um die Natur und ihren Lebensraum.
Die Fischzucht als Lösung für überfischte Meere ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ermöglicht sie eine nachhaltigere Versorgung mit Fisch, denn die weltweite Nachfrage ist längst zu groß, um sie ausschließlich mit Wildfang zu decken. Andererseits bringt die industrielle Zucht erhebliche ökologische Risiken mit sich. In den dichten Fischfarmen können sich Krankheiten rasant ausbreiten, weshalb oft mit Medikamenten-Cocktails entgegengewirkt wird. Zudem belasten die Ausscheidungen der Tiere das umliegende Ökosystem massiv.
Besonders betroffen sind die sensiblen Unterwasserwelten rund um die Fischfarmen, die durch übermäßige Nährstoffeinträge aus den Zuchtanlagen in Mitleidenschaft gezogen werden. Experten warnen vor langfristigen Schäden für die marinen Lebensräume, wenn Aquakulturen nicht mit strengeren Auflagen betrieben werden.
Trotz aller Herausforderungen bleibt die griechische Aquakultur ein Sektor mit enormem Wachstumspotenzial. Die Zukunft dieses Wirtschaftszweigs hängt jedoch stark von der Balance zwischen ökonomischem Erfolg und ökologischem Bewusstsein ab. Alleine 92 Millionen Euro hat die Europäische Union bereitgestellt, um bis 2027 die Aquakultur in Griechenland voranzutreiben.
Gelingt es Griechenland, moderne, nachhaltige Methoden in der Fischzucht zu etablieren, könnte das Land nicht nur von der steigenden Nachfrage profitieren, sondern sich auch als Vorreiter für eine umweltfreundliche Aquakultur positionieren. Andernfalls droht das goldene Zeitalter der griechischen Fischzucht einen hohen Preis zu fordern – für Natur, Umwelt und die Menschen vor Ort. (pv)
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