Inmitten sonnenverwöhnter Ruinen und verwinkelter Gassen lauert ein uralter Instinkt – der der Katze als lautlose Jägerin. Eine Reise durch Griechenland mit einem Blick für die geheimen Meister der Stille.
Von HB-Redakteurin Maria Vlachou
Aktuell/Reisen – Griechenland ist berühmt für seine antiken Stätten, das türkisfarbene Meer und die warme Gastfreundschaft – doch wer mit offenen Augen reist, entdeckt eine andere, faszinierende Seite: die Welt der Katzen, die fast lautlos durch die Geschichte schleichen. Ob auf den Kykladen, in den engen Gassen von Mykonos oder zwischen den Steinterrassen von Athen – Katzen sind allgegenwärtig. Sie streifen scheinbar mühelos durch Olivenhaine, sitzen reglos auf Tempelmauern oder blinzeln aus dem Schatten von Tavernen. Ihre Bewegungen sind präzise, ihr Blick wachsam – Relikte einer jahrtausendealten Rolle: die der Jägerin.

Anders als Hunde, die oft durch Bellen oder Bewegung auf sich aufmerksam machen, agieren Katzen im Stillen. Ihr Jagdverhalten ist nahezu lautlos. Auf den griechischen Inseln, wo Mäuse und kleine Reptilien in Häusern und auf Feldern vorkommen, haben sie sich einen Ruf als effektive und elegante Schädlingsbekämpferinnen erworben. Ihre Pfoten hinterlassen kaum ein Geräusch, ihr Sprung ist geschmeidig, ihr Schlag blitzschnell.
Obwohl Katzen in der klassischen griechischen Mythologie nicht dieselbe symbolische Tiefe wie etwa in Ägypten genießen, finden sie doch ihren Platz in Legenden und Erzählungen. Besonders bekannt ist die Geschichte von Göttin Artemis, der jungfräulichen Jägerin und Schutzherrin der Tiere. Man sagt, sie umgab sich mit geschmeidigen Wesen – und in späteren Darstellungen wurde sie oft mit katzenartigen Attributen in Verbindung gebracht: wachsam, unabhängig und tödlich präzise.
In byzantinischer Zeit, als antike Götter in den Hintergrund traten, erhielten Katzen neue Bedeutungen. Mönche auf den Klosterinseln wie Patmos und Athos hielten Katzen, um Klöster vor Schlangen und Ratten zu schützen – eine Praxis, die sie beinahe zu heiligen Hütern machte. In volkstümlichen Erzählungen wurden Katzen oft als Zwischenwesen angesehen – still, wissend, manchmal auch magisch.
Auch der antike Trickster-Gott Hermes, der für Heimlichkeit und Geschwindigkeit stand, wird in späteren Interpretationen gelegentlich mit katzenhaften Eigenschaften bedacht. Die Katze wurde zum Symbol für Verschwiegenheit, Schnelligkeit – und manchmal für das Unergründliche.
Diese Verbindung zur Mythologie verleiht den heutigen Katzen Griechenlands eine fast mythische Aura. Wer sich Zeit nimmt, den Blick schweifen lässt und Geduld mitbringt, kann in ihren Bewegungen etwas Archaisches erkennen – als ob sie nicht nur Jäger, sondern auch stille Bewahrer einer alten, vergessenen Geschichte wären. Denn auch im Paradies gibt es Jäger. Und sie kommen auf leisen Pfoten.
Lassen Sie sich beim nächsten Griechenlandbesuch Zeit, die tierischen Bewohner genauer zu beobachten – besonders in den frühen Morgen- oder Abendstunden. Die besten Orte dafür: der Hafen von Hydra, das antike Delos, das Kloster Arkadi auf Kreta oder die Gassen von Plaka in Athen. (mv)

