Der Thron im Licht: Byzantinische Visionen über Thessaloniki

Versteckt in den stillen Gassen oberhalb Thessalonikis, wo die Hitze des Südens auf den Atem der Geschichte trifft, ruht ein Bauwerk, das mehr ist als nur Mörtel und Stein.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler

Aktuell – Es ist ein Herzschlag aus vergangener Zeit, ein Echo byzantinischer Pracht – das ehemalige Latomos-Kloster, heute bekannt als Osios David. Hoch über dem modernen Leben der Stadt, nahe der Akropolis, zieht es den Blick wie ein Stern am Horizont, dessen Licht aus Jahrhunderten strahlt.

Griechenland, das uralte Land der Mythen und Philosophen, hat viele Stätten, an denen sich Geschichte verdichtet. Doch kaum eine erzählt so eindringlich von der religiösen, künstlerischen und politischen Vielschichtigkeit des griechischen Raums wie dieses Bauwerk. Seit 1988 zählt es zum UNESCO-Welterbe als Teil der frühchristlichen und byzantinischen Bauten Thessalonikis – ein leuchtendes Zeugnis der griechisch-orthodoxen Seele inmitten der vielschichtigen Geschichte Makedoniens.

Foto: odysseus.culture.gr, Gemeinfrei, commons.wikimedia.org

Der Ursprung des Klosters verliert sich im Nebel der Spätantike. Die Gründung wird auf das 5. Jahrhundert datiert, in eine Zeit, in der das Oströmische Reich sich neu definierte und das Christentum tief in der Gesellschaft verankert wurde. Der Name „Latomos“ verweist auf die Steinbrüche der Umgebung – sinnbildlich für eine Epoche, in der Glaube und Kultur aus dem Fels gemeißelt wurden. Die kleine Kirche des Klosters war einst dem Erlöser geweiht, ein heiliger Ort, an dem sich Himmel und Erde zu begegnen schienen.

Eine der berührendsten Legenden rankt sich um eine Frau, deren Name nur aus einem Bericht des 9. Jahrhunderts bekannt ist: Theodora, Tochter des römischen Kaisers Galerius. In einer Zeit, in der das Christentum noch jung war, stiftete sie das prächtige Mosaik, das die Apsis der Kirche ziert. Der anonyme Abt des späteren Akapniou-Klosters berichtet, dass es unter der Herrschaft von Kaiser Leo dem Armenier im 9. Jahrhundert wiederentdeckt wurde – wie ein verborgenes Gebet, das Jahrhunderte überdauert hatte.

Dieses Mosaik ist das leuchtende Herz des Bauwerks: Der bartlose Christus thront auf einem Regenbogen, umgeben von einer himmlischen Aureole. Unter seinen Füßen fließen die vier Paradiesströme in den Jordan – ein Bild tiefer symbolischer Bedeutung, in dem sich altchristliche Theologie mit byzantinischer Ikonographie vereint. An seiner Seite stehen die Propheten Ezechiel und Habakuk, Mahner und Zeugen göttlicher Offenbarung. Es ist eine Darstellung von eindrucksvoller Kraft, die bis heute ihren Glanz bewahrt hat.

Die Architektur der Kirche ist ebenso bemerkenswert. Ihr Grundriss – ein griechisches Kreuz, eingeschrieben in ein Quadrat, mit halbrunder Apsis und flacher Kuppel – zeigt frühbyzantinische Genialität. Vier kleinere Kuppeln flankierten einst die zentrale Vierung, getragen von Tonnengewölben – ein Prototyp der späteren Kreuzkuppelkirchen, wie sie sich in der gesamten orthodoxen Welt verbreiten sollten. Der westliche Teil des Baus fiel vermutlich im 16. Jahrhundert der Zerstörung zum Opfer, doch das, was geblieben ist, genügt, um das Genie seiner Schöpfer zu erahnen.

Die Wellen der Geschichte gingen nicht spurlos an der Kirche vorbei. Im 16. Jahrhundert, unter osmanischer Herrschaft, wurde sie in eine Moschee umgewandelt – bekannt unter den Namen Soultzé oder Kerametin Tzami. Diese Transformation spiegelt die komplexe religiöse Topografie Thessalonikis wider, wo sich christliche, muslimische und jüdische Einflüsse über Jahrhunderte überlagerten. Doch im Jahr 1921 – als Griechenland sich nach Jahrhunderten der Fremdherrschaft neu definierte – wurde die Moschee wieder zur Kirche geweiht. Der Name Osios David erinnert seither an den Heiligen, dessen Wirken tief mit Thessaloniki verbunden ist.

Zwischen 1972 und 1975 legten Archäologen Fresken in den Seitenschiffen frei – byzantinische Malerei von ergreifender Schönheit, durchdrungen von spiritueller Tiefe. Besonders das Fresko der Geburt Christi lässt die künstlerische Kraft des Mittelalters aufscheinen, eingefangen in Linien und Farben, die einst Gläubige zum Staunen brachten. (sk)

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