Der Leuchtturm von Chania als steinerner Zeuge griechischer Zeitläufe

Am äußersten Ende der Mole des venezianischen Hafens von Chania, dort, wo das Meer von Kreta in der Sonne glitzert und der Wind Geschichten alter Zeiten flüstert, erhebt sich ein Leuchtturm, der mehr ist als nur ein nautisches Signal.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler

Reisen – Der Leuchtturm Kolpos Chanion ist ein steinernes Zeugnis griechischer Geschichte, ein Wahrzeichen der Stadt und zugleich ein Sinnbild für die wechselvollen Epochen, die das Land durchlebte.

Foto: Hellas Bote

Schon Ende des 16. Jahrhunderts stand an dieser Stelle ein venezianischer Leuchtturm, errichtet von jenen, die Chania einst als bedeutende Hafenstadt innerhalb ihrer Ägäis-Herrschaft betrachteten. Mit der osmanischen Eroberung der Stadt im Jahr 1645 begann jedoch eine lange Phase des Verfalls. Die Osmanen verlagerten ihre maritime Aufmerksamkeit auf die Soubasbucht östlich der Stadt, und der venezianische Turm, dem kein weiteres Licht anvertraut wurde, verfiel dem Schweigen der Zeit.

Erst rund zwei Jahrhunderte später, in den 1830er Jahren, als Kreta unter ägyptischer Verwaltung stand, erwachte der Ort zu neuem Leben. Die Ägypter, Verbündete des Osmanischen Reiches, errichteten auf den verbliebenen Fundamenten des venezianischen Bauwerks einen neuen Turm. Mit seiner schlanken, vertikal aufstrebenden Silhouette, die an ein Minarett erinnert, fügte sich das Bauwerk harmonisch in das orientalisch geprägte Stadtbild Chanias ein und blieb dabei doch in seinem Ursprung tief mit der griechischen Geschichte verwoben.

Der neue Leuchtturm, vollendet im Jahr 1839, beeindruckt nicht nur durch seine architektonische Struktur, sondern auch durch seine Symbolik. Der untere Teil des Turms ist achteckig, der mittlere sechzehneckig, der obere schließlich rund – eine bauliche Metapher für die Verbindung verschiedener kultureller Schichten. Das Mauerwerk aus unbehandeltem Naturstein, die engen Wendeltreppen im Inneren und die galerieartige Plattform unterhalb der Laterne erzählen von handwerklicher Präzision und ästhetischem Gespür. Noch heute spürt man beim Anblick dieser Formensprache die Nähe zum klassischen Erbe Griechenlands, das sich in der Harmonie und Klarheit des Bauwerks widerspiegelt.

Mit der Aufnahme in das osmanische Leuchtturmnetz im Jahr 1864 wurde der Turm technisch aufgerüstet und mit einer modernen Optik 4. Ordnung ausgestattet. Seine Leuchtkraft reichte nun über 12 Seemeilen hinaus und war ein unverzichtbarer Bestandteil der nautischen Infrastruktur. Im Laufe der Jahrzehnte wurden bauliche Ergänzungen vorgenommen – unter anderem eine steinerne Brüstung sowie ein Scharwachtturm mit Kuppel, die das heutige Erscheinungsbild prägen.

Auch die Wirren des 20. Jahrhunderts gingen nicht spurlos am Leuchtturm von Chania vorbei. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er schwer beschädigt. Doch bereits 1945 kehrte das Licht zurück – als Symbol für Wiederaufbau und Beständigkeit. 1962 schließlich wurde der Turm zum geschützten Denkmal erklärt, womit der griechische Staat sein kulturhistorisches Erbe würdigte. In den frühen 2000er Jahren erfolgte eine umfassende Restaurierung, die das Bauwerk in seiner ursprünglichen Schönheit wiederherstellte.

Heute dient der Leuchtturm nicht nur als Molenfeuer, das mit roten Lichtblitzen im Abstand von 2,5 Sekunden den Hafen markiert und bis zu 7 Seemeilen sichtbar ist. Er ist auch eine lebendige Erinnerung an Griechenlands reiche maritime Tradition, an die kulturellen Überlagerungen und das Erbe einer Insel, die stets im Schnittpunkt europäischer, nahöstlicher und nordafrikanischer Interessen lag. Inmitten der malerischen Altstadt von Chania, wo byzantinische, venezianische und osmanische Einflüsse ineinanderfließen, bewahrt der Leuchtturm seine stille Würde – und mit ihm ein Stück griechischer Identität. (sk)

Foto: Hellas-Bote