Wer durch Colmar spaziert, fühlt sich manchmal wie in einem Gemälde: Fachwerkhäuser, deren Holzbalken Geschichten aus Jahrhunderten erzählen, spiegeln sich in sanft fließenden Kanälen, während die Luft den süßen Duft von Wein und frischem Gebäck trägt.
Von HB-Redakteurin Nadja Becker
Weltweit – Es ist diese Mischung aus Geschichte, Architektur und Lebensfreude, die die Stadt am westlichen Rand der Oberrheinischen Tiefebene unverwechselbar macht. Zwischen Straßburg und Basel gelegen, hat Colmar sich zu einem Zentrum von Kunst, Kultur und Wein entwickelt – und zu einem Juwel des Elsass.
Die Stadt zählt heute rund 67.000 Einwohner, im Großraum sind es über 113.000. Colmar ist Sitz der Präfektur des Départements Haut-Rhin, und das politische Leben pulsiert hier zwischen Verwaltungsgebäuden, Gerichten und dem Rathaus. Die Stadt selbst ist ein lebendiges Museum: von der Renaissance über Barock bis zum Klassizismus – jede Epoche hat ihre Spuren hinterlassen. Das Koïfhus, einst Zolleinrichtung und Versammlungsort der Vertreter des Zehnstädtebundes, erzählt von wirtschaftlicher Macht, während das Pfisterhaus und das Maison des Têtes die Kreativität und den Stolz der Bürger widerspiegeln.

Colmar blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Erstmals 823 urkundlich erwähnt, wuchs die Stadt unter römisch-deutscher Herrschaft, wurde 1226 freie Reichsstadt und erlebte später Belagerungen, Kriege und politische Umbrüche. Im Dreißigjährigen Krieg besetzten schwedische Truppen die Stadt, Ludwig XIV. annektierte sie im 17. Jahrhundert. Zwischen den Weltkriegen und im Zweiten Weltkrieg wechselte Colmar mehrfach zwischen deutscher und französischer Herrschaft, erlitt Zerstörungen, Pogrome und Deportationen, bevor es 1945 endgültig zurück zu Frankreich kam.
Heute ist Colmar ein Zentrum der Kultur und Kunst. Das Unterlinden-Museum, Heimat des berühmten Isenheimer Altars von Matthias Grünewald, zieht Besucher aus aller Welt an. Werke von Martin Schongauer, Lucas Cranach und Hans Holbein ergänzen die Sammlung, ebenso wie Funde aus Antike, Mittelalter und Moderne. Das Bartholdi-Museum ehrt den Schöpfer der Freiheitsstatue, das Spielzeugmuseum lässt Kinderträume lebendig werden, und die städtische Bibliothek bewahrt eine der umfangreichsten Sammlungen von Wiegendrucken Frankreichs.
Die Altstadt lädt zum Flanieren ein. Die Krutenau, auch Petite Venise genannt, verführt mit ihren Kanälen, Brücken und farbenfrohen Häusern. Hier liegen das Fischerufer, kleine Cafés und Boutiquen, die den Charme der Stadt ausmachen. Die Markthalle präsentiert lokale Spezialitäten, während die engen Gassen zum Entdecken einladen. Überall erzählen Straßen, Fassaden und Plätze von Colmars bewegter Geschichte, von den Zeiten der Meistersinger über die französische Revolution bis zur modernen Gegenwart.
Colmar ist auch eine Stadt der Feste. Die Foire aux Vins, das internationale Musikfestival und zahlreiche lokale Veranstaltungen machen die Stadt zu einem Magneten für Touristen und Kulturinteressierte. Weinberge säumen die Stadt, besonders im Norden, und prägen das Bild ebenso wie die wirtschaftliche Basis: Unternehmen wie Liebherr, Timken und Leitz haben hier ihren Sitz, während der Tourismus eine zentrale Rolle spielt. Die Region ist zudem Ausgangspunkt für Radwanderungen, Naturerlebnisse im Ballons des Vosges und kulinarische Entdeckungen entlang der Elsässer Weinstraße. Architektur und Kunst, Geschichte und Natur, Wein und Festivals – Colmar ist ein Kaleidoskop, das sich jedem Besucher auf überraschende Weise öffnet. (nb)

