2025 feiert der Forschungsverbund Berlin e. V. (FVB) ein ganz besonderes Jubiläum: Der Marthe-Vogt-Preis für exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen wird ein Vierteljahrhundert alt. Im Jubiläumsjahr erhielt die Biologin Dr. Afroditi Grigoropoulou (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, IGB) die Auszeichnung. Die Preisverleihung fand im Berliner Naturkundemuseum statt.
Aktuell – Dr. Afroditi Grigoropoulou verteidigte ihre innovative Dissertation mit dem Titel „Open science approaches on assessing global aquatic insect biodiversity“ im November 2024. Ihr komplexes Projekt erarbeitete sie als Doktorandin in der internationalen Forschungsgruppe „Globale Süßwasserbiodiversität“ unter der Leitung von Dr. Sami Domisch am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Die Biodiversität aquatischer Insekten ist ein wichtiger Marker für die Gesundheit eines Ökosystems, d. h. von Gewässern. Diese wiederum wird durch den Klimawandel beeinflusst. Grigoropoulou erarbeitete in ihrem Dissertationsprojekt die erste internationale, standardisierte, standortbezogene Datenbank für Süßwasserinsekten. Sie entwickelte außerdem Tools zur Kartierung von Flüssen – keine einfache Aufgabe, denn im Gegensatz zum Festland sind Flüsse komplexe, miteinander verbundene, fließende Systeme. Und schließlich untersuchte sie die ökologische Nischenbreite aquatischer Insekten, d. h. räumliche Muster, in denen hochspezialisierte Insekten vorkommen. Solche stark spezialisierten Arten reagieren besonders stark auf den Klimawandel und damit einhergehende Veränderungen von Ökosystemen.
Nutzen und Implikationen ihrer Forschung sind nicht zu unterschätzen! Aufgrund der Daten und Werkzeuge, die Grigoropoulou zusammengestellt, erarbeitet und untersucht hat, könnten zukünftig beispielsweise Voraussagen darüber getroffen werden, wie der Klimawandel die Biodiversität von Süßwasserinsekten beeinflusst, die wiederum wesentliche Plätze in den Nahrungsketten ihrer Ökosysteme einnehmen. Damit leistete Grigoropoulou einen wichtigen Beitrag zum Verständnis dieses Komplexes.
Die Juror*innen waren nicht nur von den Forschungsergebnissen der Preisträgerin beeindruckt, die in bereits neun Publikationen einflossen, sofern auch von ihrer Fähigkeit, ein großes internationales Forscher*innenteam unter einer gemeinsamen Zielsetzung zusammenzubringen.
Die Nachwuchswissenschaftlerin, inzwischen Postdoc am IGB, stammt ursprünglich aus Griechenland. Sie erwarb ihren Bachelorabschluss im Fach Biologie an der Universität Athen und zog für ihr Masterstudium im Fach „Ecology, Environmental Management and Restoration“ nach Barcelona, wo sie bereits ein Erasmusjahr absolviert hatte. Dort arbeitete sie in einem meeresbiologischen Lab und spezialisierte sich schließlich auf Süßwasserinsekten. Nach Berlin und zum IGB kam sie 2020 während der Coronapandemie.
Grigoropoulou stellt fest, dass Geschlechterdiskriminierung zwar nach wie vor ein Problem in der Wissenschaft ist, in ihrem Fachgebiet fühlt sie sich jedoch dank ihrer unterstützenden Kolleg*innen und ihres Betreuers, Dr. Sami Domisch, sehr willkommen – selbst im eher männlich dominierten Bereich der Bioinformatik. Nach ihrer Erfahrung haben in Deutschland Faktoren wie ethnischer Hintergrund und Sprachbarrieren oft einen größeren Einfluss auf die Arbeit von Wissenschaftler*innen als das Geschlecht. „Aktuell bekomme ich immer wieder die politische Tendenz zur Ausländer*innenfeindlichkeit zu spüren.“ Deshalb ist Grigoropoulou begeistert davon, dass Marthe Vogt nach ihrer Emigration nach Großbritannien deutsche Jüdinnen und Juden, Antifaschist*innen aus dem franquistischen Spanien, politische Gefangene und andere Menschen, die vor dem Faschismus flohen, unterstützte. „Wir Wissenschaftler*innen stehen heute unter dem Druck, uns politisch gar nicht oder neutral zu äußern. Das finde ich schwierig. Neutralität stärkt oft die Position der Unterdrückenden.“
Der Marthe-Vogt-Preis (damals noch Nachwuchswissenschaftlerinnenpreis) wurde 2001 vom Forschungsverbund Berlin ins Leben gerufen. Er ist nach der Pharmakologin und Neurologin Marthe Louise Vogt (1903–2003) benannt, die Neurotransmitter erforschte. Sie arbeitete als leitende Wissenschaftlerin im Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung in Berlin-Buch. 1935 verließ sie Deutschland aufgrund ihrer Gegnerinnenschaft zum Nationalsozialismus, migrierte nach Großbritannien und setzte ihre Forschung dort mit großem Erfolg fort.
Der mit 3.000,00 € dotierte Preis wird an junge Wissenschaftlerinnen aus dem Raum Berlin-Brandenburg verliehen, die in jüngster Vergangenheit eine außergewöhnlich gute Dissertation auf einem der Forschungsgebiete der Institute des FVB vorgelegt haben, u. a. Molekulare Pharmakologie,
Strukturbiologie und Chemische Biologie, Neue Materialien, Gewässerökologie und Biodiversitätsforschung, Biologie, Veterinärmedizin und Umweltforschung, Nanomaterialien, Quantenmaterialien, Optoelektronik und Materialwissenschaften, Laserforschung und Licht-Materie- Wechselwirkung sowie Angewandte Mathematik. Vorschlagsberechtigt sind Direktor*innen außeruniversitärer wissenschaftlicher Einrichtungen sowie Professor*innen und habilitierte Mitglieder der Fakultäten von Hochschulen. Die erste Preisträgerin 2001 war die Biochemikerin Dr. Kathrin Plath, die heute ein eigenes Lab an der UCLA leitet. (opm)

