Die kolumbianische Fischer*innenorganisation FEDEPESAN erhält den Menschenrechtspreis 2024 von Amnesty International in Deutschland. Die Auszeichnung wird für den selbstlosen und mit persönlichen Gefahren verbundenen Einsatz für die Menschenrechte verliehen. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert.
Magazin – Der Verband für traditionelle Fischerei, Umweltschutz und Tourismus im Departamento Santander (Federación de Pescadores Artesanales Ambientalistas y Turísticos del Departamento de Santander – FEDEPESAN) ist Preisträger des diesjährigen Menschenrechtspreises von Amnesty International in Deutschland.
Seit 2019 setzt sich der Verband für den Schutz der Flüsse und Feuchtgebiete sowie der Lebensweise der Fischer*innen der Region ein. FEDEPESAN dokumentiert Umweltverschmutzungen, zudem organisiert er Demonstrationen, führt Reinigungsaktionen durch und leistet Lobbyarbeit bei den zuständigen Behörden. FEDEPESAN geht auch juristisch gegen den staatlichen Ölkonzern Ecopetrol vor, den er für die Verschmutzung der Feuchtgebiete in der Region mitverantwortlich macht.
Die Aktivist*innen von FEDEPESAN sind dabei großen Gefahren ausgesetzt. Sie werden bedroht und tätlich angegriffen, Werkzeuge und Boote werden gestohlen. Sie werden wegen ihrer Aktivitäten als Mitglieder bewaffneter Gruppen diffamiert. Trotzdem setzen die Fischer*innen von FEDEPESAN ihr Engagement fort.
Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt: „Die Klimakrise ist eine Menschenrechtskrise. Wer Menschen und Menschenrechte schützen will, muss die Klimakrise aufhalten. In der kolumbianischen Provinz Santander kämpfen selbstorganisierte Fischer*innen gegen die Umweltzerstörung und das Versagen der kolumbianischen Behörden.
Sich für den Schutz der Menschenrechte einzusetzen, ist seit Jahren in kaum einem Land so gefährlich wie in Kolumbien. Die Menschenrechts- und Umweltverteidiger*innen von FEDEPESAN brauchen weltweite Solidarität und konkrete Unterstützung.
Sie sorgen mit ihrer Arbeit für den Erhalt unseres Planeten. Sie beschützen nicht nur ihre, sondern unser aller Lebensgrundlage. Sie kämpfen auch für unsere Zukunft – trotz tödlicher Gefahr. Deshalb vergibt die deutsche Sektion von Amnesty International den Menschenrechtspreis 2024 an FEDEPESAN.“
An die Bundesregierung gerichtet sagt Duchrow: „Die Koalition muss ihr Bekenntnis zu einer menschenrechtsgeleiteten Außenpolitik konkret und konsistent umzusetzen. Tragendes Element der Zusammenarbeit mit Kolumbien muss sein, dass sich die deutschen Behörden gegenüber den Verantwortlichen für einen besseren Schutz von Menschenrechts- und Umweltverteidiger*innen im Land einsetzen – auch für FEDEPESAN. “
Yuly Andrea Velásquez Briceño, Präsidentin von FEDEPESAN, sagt: „Der Menschenrechtspreis von Amnesty International Deutschland ist der bisher größte Erfolg der Fischer*innen in Barrancabermeja – einer Stadt, in der es viel Gewalt gibt. Der Preis wird helfen, unsere Arbeit öffentlich zu begleiten, und dazu beitragen, dass sich die kolumbianischen Behörden mit den Menschenrechtsverletzungen auseinandersetzen.
Wir widmen den Preis den Fischer*innen, die getötet und in den Fluss geworfen wurden, wobei die Verantwortlichen straffrei geblieben sind. Wir widmen ihn den Witwen und Waisen, den Bewahrer*innen von Flüssen, Sümpfen und Kanälen. Er bedeutet Hoffnung.
Unsere Arbeit ist noch lange nicht beendet. Wir träumen davon, unsere Flüsse und Feuchtgebiete besser schützen zu können, damit sie auch für künftige Generationen Nahrung und eine gesunde Umwelt bieten können.
Die kolumbianische Regierung hat nun die historische Chance, an der Spitze eines Wandels zu stehen, indem sie sich in einer der gefährlichsten Regionen der Welt für den Schutz der Umwelt einsetzt. Die Regierungen müssen den Umweltschützer*innen zuhören und ihren Forderungen Rechnung tragen.“
Amnesty International hat in einem im November 2023 veröffentlichten Bericht dokumentiert, dass der kolumbianische Staat in den vergangenen fünf Jahren nur unzureichend auf die Gefahren reagiert hat, denen Menschenrechtsverteidiger*innen im Land ausgesetzt sind. Im September hatte das Institut für Studien für Entwicklung und Frieden (INDEPAZ) bereits die Ermordung von 127 führenden Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger*innen im Jahr 2023 registriert. Das Land gehört damit zu einem der gefährlichsten Länder für Menschen, die sich für Menschenrechte und Umweltschutz engagieren. In einem weiteren Bericht von November 2023 hat Amnesty International aufgezeigt, dass Umweltschützer*innen in Nord-, Mittel- und Südamerika insgesamt nicht ausreichend anerkannt oder sinnvoll in Entscheidungen zu Umwelt- und Klimafragen einbezogen werden.
Amnesty International fordert die Regierung Kolumbiens auf,
- gegen die Verantwortlichen der Übergriffe auf Mitglieder von FEDEPESAN zu ermitteln und die Täter*innen strafrechtlich zu verfolgen;
- die Schutzmaßnahmen für die Organisation zu verbessern, um weitere Übergriffe zu verhindern;
- die Nationale Behörde für Umweltlizenzen und zuständige regionale Behörden anzuweisen, die mutmaßlichen Umweltverschmutzungen zu untersuchen;
- die Ministerin für Umwelt und nachhaltige Entwicklung sowie den Minister für Bergbau und Energie anzuweisen, die betroffene Region zu besuchen, um sich mit den dortigen Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen zu treffen;
- Maßnahmen zum Schutz von Umweltverteidiger*innen voranzubringen – wie im Escazú-Abkommen vorgesehen.
Hintergrund Menschenrechtspreis
Mit dem Menschenrechtspreis zeichnet Amnesty International in Deutschland alle zwei Jahre Persönlichkeiten und Organisationen aus, die sich unter schwierigen Bedingungen für Menschenrechte einsetzen. Ziel des Preises ist es, das Engagement dieser Menschen zu würdigen, sie zu unterstützen und zu schützen sowie ihre Arbeit in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und wird traditionell von der „Stiftung Menschenrechte – Förderstiftung Amnesty International“ gestellt. 2024 wird der Amnesty-Menschenrechtspreis zum zwölften Mal verliehen. Bisherige Preisträger waren unter anderem: Äthiopischer Menschenrechtsrat (2022); Seenotrettungscrew Iuventa10 (2020); Nadeem-Zentrum für die Rehabilitierung von Opfern von Gewalt und Folter, Kairo (2018). (opm)