Vor rund einem halben Jahrhundert spielte die Olivenölherstellung in Griechenland eine zentrale Rolle in der Wirtschaft und im täglichen Leben der ländlichen Bevölkerung. Zu dieser Zeit war die Herstellung von Olivenöl noch ein überwiegend handwerklicher Prozess, der tief in den Traditionen und Ritualen des Landes verwurzelt war.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler
Aktuell/Tradition – Die Olivenernte begann typischerweise im Spätherbst, wenn die Früchte reif waren. Die Arbeit auf den Olivenhainen wurde oft von der ganzen Familie übernommen. Die Bäume wurden von Hand oder mit langen Stöcken geschüttelt, damit die reifen Oliven zu Boden fielen. Diese Methode war sehr schonend, um die Bäume nicht zu beschädigen und die Qualität der Oliven zu erhalten.
Anschließend wurden die gesammelten Oliven in große Jutesäcke gefüllt und auf Eseln oder kleinen Wagen zur nahegelegenen Mühle transportiert. Die Mühlen, die von Wasser oder Tierkraft angetrieben wurden, waren oft im Besitz von kleinen Gemeinschaften oder Familien. Dort begann der eigentliche Pressprozess. In traditionellen Steinmühlen wurden die Oliven in mehreren Schritten zu einer Paste zerkleinert. Diese Paste wurde dann in runde Matten gelegt und übereinandergestapelt, bevor die Oliven unter großem Druck gepresst wurden.
Der erste Pressvorgang ergab das kostbarste und hochwertigste Öl – das sogenannte „kaltgepresste native Olivenöl extra“. Dies war die reinste Form des Öls, das aufgrund seines außergewöhnlichen Geschmacks und seiner gesundheitlichen Vorteile besonders begehrt war. Oftmals wurde ein Teil des gewonnenen Öls für den Eigenbedarf der Familie reserviert, während der Rest auf den Märkten verkauft wurde.
Auch wenn die Technik vergleichsweise einfach war, lag der Fokus stark auf der Qualität und der Bewahrung traditioneller Herstellungsverfahren. Jede Region hatte ihre eigenen Besonderheiten, was die Olivensorten und die Pressmethoden betraf. Dies führte zu einem vielfältigen Angebot an verschiedenen Ölen, die sich je nach Geschmack und Aroma unterschieden.
Neben der Herstellung für den alltäglichen Gebrauch hatte Olivenöl in Griechenland auch eine rituelle und spirituelle Bedeutung. Es wurde in religiösen Zeremonien verwendet, in Lampen als Lichtquelle verbrannt und spielte eine Rolle in vielen Heilverfahren der traditionellen griechischen Medizin. Die Olivenölproduktion vor 50 Jahren war geprägt von harter Arbeit, Gemeinschaftsgeist und tiefem Respekt vor der Natur. Obwohl die Produktion heute weitgehend mechanisiert ist, bleibt das Olivenöl ein Symbol für die griechische Kultur und Tradition – ein Erbe, das bis heute weiterlebt.
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Olivenölherstellung in Griechenland grundlegend verändert, die traditionellen Olivenpressen rosten meist still vor sich hin. Die traditionellen handwerklichen Methoden wurden nach und nach von modernen Maschinen und Technologien abgelöst, die die Effizienz und die Produktionskapazitäten erheblich steigerten. Der Einsatz mechanisierter Erntemaschinen, die in der Lage sind, große Olivenhaine in kürzester Zeit zu ernten, hat die körperlich anstrengende Handarbeit stark reduziert. Moderne Schüttelmaschinen und Vibrationserntemaschinen ersetzen heute die Arbeit, die früher mit Stöcken und menschlicher Muskelkraft erledigt wurde. Diese Maschinen sind in der Lage, die Oliven schnell und effizient zu ernten, ohne die Bäume zu beschädigen, und ermöglichen eine schnellere Verarbeitung der Oliven, was zu einer besseren Ölqualität führen kann.
Auch in den Olivenmühlen hat sich viel verändert. Die traditionellen Steinmühlen wurden durch moderne Edelstahlmaschinen ersetzt, die den gesamten Prozess – vom Zerkleinern der Oliven bis zum Trennen von Öl und Wasser – automatisieren. Zentrifugen haben die alten Pressmethoden abgelöst und ermöglichen eine präzisere und hygienischere Verarbeitung der Olivenpaste. Diese modernen Mühlen arbeiten schneller, sauberer und energieeffizienter, was es den Produzenten ermöglicht, größere Mengen Olivenöl in kürzerer Zeit herzustellen.
Ein weiterer Vorteil der modernen Technik ist die bessere Kontrolle über die Temperatur während des Verarbeitungsprozesses, wodurch die Qualität des Olivenöls konstant auf einem hohen Niveau gehalten werden kann. Kaltpressungen erfolgen nun unter optimierten Bedingungen, die sicherstellen, dass die wertvollen Nährstoffe und Aromen des Öls erhalten bleiben.
Trotz des technologischen Fortschritts legen viele griechische Olivenölproduzenten großen Wert darauf, traditionelle Aspekte der Olivenölherstellung zu bewahren. In einigen Regionen Griechenlands werden bis heute traditionelle Verfahren parallel zur modernen Technik angewandt, insbesondere bei der Produktion von Premium- oder Bio-Olivenölen. Hier geht es nicht nur um Effizienz, sondern um die Erhaltung eines jahrhundertealten kulturellen Erbes.
Die moderne Olivenölproduktion hat die griechische Landwirtschaft zweifellos revolutioniert und Griechenland als wichtigen Exporteur von hochwertigem Olivenöl international etabliert. Doch das Olivenöl bleibt mehr als nur ein Wirtschaftsgut – es ist weiterhin ein Symbol für die griechische Identität, das die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt. (sk)