Das Heraion von Samos – Ein archaisches Weltwunder im Herzen der Ägäis

Im sanften Licht der Ägäis, wo das Meer die Küste von Samos umspült, erhebt sich ein Ort von mythischer Strahlkraft: das Heraion von Samos. Dieses Heiligtum, der Göttin Hera geweiht, zählt zu den bedeutendsten archäologischen Stätten Griechenlands und wurde gemeinsam mit der antiken Stadt Pythagorio von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Von HB-Redakteur Jorgos Kontos

Geschichte – Die Ursprünge des Heraions reichen bis in die frühe Bronzezeit zurück. Bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. war die fruchtbare Ebene an der Mündung des Flusses Imbrasos besiedelt. Einer lokalen Legende zufolge wurde Hera unter einem Lygosbaum geboren, der im Bereich des späteren Heiligtums stand. Archäologische Funde eines Kultplatzes mit einem Baumstumpf könnten dieser Überlieferung zugrunde liegen.

Im 6. Jahrhundert v. Chr. erlebte das Heraion seine Blütezeit. Der Architekt Theodoros von Samos errichtete um 575 v. Chr. den ersten monumentalen Tempel, bekannt als Dipteros I, mit einer doppelten Säulenreihe aus lokalem Kalkstein. Aufgrund von Fundamentschäden, möglicherweise verursacht durch den sumpfigen Untergrund oder ein Erdbeben, musste dieser Bau jedoch nach wenigen Jahrzehnten aufgegeben werden. Um 530 v. Chr. begann der Bau des Dipteros II, wahrscheinlich unter der Leitung von Rhoikos. Dieser Tempel wurde auf den Spolien des Vorgängerbaus errichtet und zeichnete sich durch eine Kombination von Porosschäften und marmornen Kapitellen und Basen aus. Der äußere Säulenkranz wurde um 500 v. Chr. vollständig aus Marmor gefertigt. Herodot bezeichnete den Dipteros II einst als den größten Tempel Griechenlands.

Die archäologischen Funde im Heraion zeugen von der weitreichenden Bedeutung des Heiligtums. Neben zahlreichen Votivgaben aus Terrakotta und Elfenbein wurden auch exotische Objekte entdeckt, darunter Fragmente eines ägyptischen Krokodilschädels und bronzezeitliche Artefakte aus dem Vorderen Orient. Diese Funde belegen die weitreichenden Handelsbeziehungen und den kulturellen Austausch, der im Heraion stattfand.

Heute steht im Heraion von Samos nur noch eine einzelne Säule des einst monumentalen Tempels aufrecht – ein stiller Zeuge einer glorreichen Vergangenheit. Doch die Ausgrabungen und Forschungen, insbesondere durch das Deutsche Archäologische Institut, haben das Heraion als einen zentralen Ort des antiken Griechenlands wieder ins Bewusstsein gerückt. Es bleibt ein faszinierendes Zeugnis der archaischen Architektur, des religiösen Lebens und der kulturellen Verbindungen über die Grenzen der Ägäis hinaus. (jk)

Foto: Tomisti, CC BY-SA 4.0, wikimedia.org