Ein stilles Beben, das keine Erschütterung spüren lässt – aber tiefe Spuren hinterlässt: Auf Kreta sorgt ein geologisches Phänomen in dem kleinen Ort Voutes für Aufsehen, Sorge und wissenschaftliche Neugier zugleich.
Von HB-Redakteur Panos Ventouris
Aktuell/Kreta – In den malerischen Hügeln von Voutes, einem Dorf nördlich der kretischen Hauptstadt Heraklion, hat sich der Boden geöffnet. Zwei lange Spalten, jeweils etwa 150 Meter lang, ziehen sich durch Straßen, Hauswände und sogar durch den Kirchhof. Die Szenerie wirkt surreal, beinahe wie ein Riss in der Realität selbst. Bewohnerinnen und Bewohner berichten von einer unheimlichen Stille – kein Beben, kein Grollen, nur plötzlich sichtbare Zerstörung. Drohnenaufnahmen bestätigten die Ausmaße: Die beiden Risse verlaufen parallel und scheinen zusammenzuhängen. Und doch fehlt bislang eine eindeutige Erklärung. War es ein natürlicher Vorgang – oder das Ergebnis menschlicher Eingriffe?
Efthymios Lekkas, Vorsitzender der griechischen Organisation für Erdbebenplanung und -schutz, spricht von einem „dynamischen, sich entwickelnden geologischen Phänomen“ bei Greek Reporter. Gemeinsam mit einem Expertenteam ist er vor Ort, um Ursachen und Verlauf zu analysieren. „Der Boden bewegt sich – nicht ruckartig wie bei einem Erdbeben, sondern schleichend und stetig“, erklärt Lekkas. Das mache die Situation besonders heikel: Die Gefahr sei nicht sofort spürbar, aber sichtbar und potenziell zunehmend.
Ein Maßnahmenpaket der Stadt Heraklion sieht vor, umfangreiche Analysen einzuleiten – von geologischen Studien über Wassernetzwerke bis zur Kartierung der Risse. Auch hydrologische Daten werden herangezogen, denn Wasser gilt als möglicher Mitverursacher der Veränderungen. Ein weiterer Experte spricht von einem Erdrutsch. Voutes wurde auf einem Rücken mit offenen Hängen errichtet – ideal für Bewegungen in alle Richtungen. Der Untergrund besteht aus blättrigem Lehm, der bei Feuchtigkeit seine Stabilität verliert.
Die Kombination aus geologischer Beschaffenheit, möglicher Übernutzung von Wasserleitungen und der exponierten Lage auf felsigem Grund macht den Fall besonders komplex. Während manche Häuser bereits verlassen wurden, besteht aktuell keine Evakuierungsanordnung für das gesamte Dorf. Auch die Behörden geben Entwarnung: Die Situation sei lokal begrenzt, Reisende müssten lediglich die Region um Voutes meiden. Bis klare Antworten vorliegen, wird Voutes weiter unter Beobachtung stehen – nicht nur von Geologen, sondern auch von einer aufmerksamen Öffentlichkeit. Denn wenn die Erde spricht, hören plötzlich alle hin. (pv)
