Acht Jugendliche aus dem griechischen Ano Viannos sind aktuell zur Jugendbegegnung in Geldern. Bei einem Netzwerktreffen tauschen sie sich in Köln und Brauweiler mit 120 europäischen Jugendlichen sowie Kooperationspartnern des LVR-Programms „Jugend gestaltet Zukunft“ aus.
Aktuell – Sie treffen auf rund 120 Jugendliche und Kooperationspartner*innen aus Italien, Frankreich, Polen, Belgien, den Niederlanden, Tschechien, der Slowakei und sogar aus der Ukraine: 16 Jugendliche aus dem griechischen Ano Viannos und aus Geldern. Sie sind nach Köln gereist, um sich am 7. und 8. Mai bei einem internationalen Netzwerktreffen des Programms „Jugend gestaltet Zukunft – Internationale Jugendbegegnungen an Orten der Erinnerung in Europa“ auszutauschen. Das Datum für das Treffen ist nicht zufällig gewählt. Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht und der Zweite Weltkrieg endete.
Schon seit 2008 organisiert der Landschaftsverband Rheinland (LVR) die internationalen Jugendbegegnungen an eher unbekannten Erinnerungsorten. Neben Ano Viannos sind dies Sant’Anna di Stazzema, Maillé, Lublin, Gent, die Provinz Limburg, Kojetín, Košice oder Baranivka. Hier wurden im Zweiten Weltkrieg von der deutschen Wehrmacht grausame Verbrechen an der Zivilbevölkerung verübt. Eine Regiestelle beim LVR-Landesjugendamt Rheinland organisiert die Fahrten insbesondere für Jugendliche aus Einrichtungen der Jugendsozialarbeit und Jugendberufshilfe – junge Menschen, die sonst meist nicht die Möglichkeit haben, an einem internationalen Jugendaustausch teilzunehmen.
Der 19-jährige George aus Ano Viannos besucht aktuell mit seiner Gruppe Jugendliche der Jugendwerkstatt Drehscheibe Geldern. „In meinem Dorf hatten wir wegen der Hinrichtungen durch die Nazis immer einen Vorbehalt gegenüber den Deutschen. Durch diese Reise werde ich mir meine eigene Meinung bilden““, sagt er. Der Gegenbesuch der Jugendlichen aus Geldern startet schon am 20. Juni. Mit dabei ist auch der 18-jährige Justin. Er freut sich darauf, das erste Mal in Griechenland zu sein und „mit einer anderen Kultur Bekanntschaft zu machen“. Mit Blick auf den Besuch der griechischen Jugendlichen in Geldern sagt er: „Ich möchte, dass die anderen Jugendlichen uns als gastfreundlich erleben und einfach eine tolle Zeit in Deutschland haben.“
Bei ihren Fahrten, die immer mit einem Gegenbesuch des Partnerlandes verbunden sind, besuchen die Jugendlichen beispielsweise Gedenkstätten, verrichten Freiwilligenarbeit auf Friedhöfen oder arbeiten gemeinsam an Kunstprojekten zum Thema Frieden. „Begegnung ist das beste Mittel, um Vorurteile zu widerlegen. Wir wollen mit unserem Programm dazu beitragen, dass Jugendliche sich mit der gemeinsamen Geschichte ihrer Länder auseinandersetzen und sich im besten Fall auch gegenseitig kennen- und schätzen lernen. Mit diesem internationalen Netzwerktreffen möchten wir vor allem die jungen Menschen beteiligen – Was sind ihre Themen rund um das Programm und wie können diese auf lokaler, nationaler oder europäischer Ebene sichtbar gemacht werden?“, sagt Inga Ackermann. Sie berät als Fachreferentin im LVR-Landesjugendamt Rheinland die Einrichtungen der Jugendsozialarbeit, die die Jugendbegegnungen durchführen.
Neben der Gruppe aus Ano Viannos haben auch Jugendliche aus dem italienischen Sant’Anna und dem tschechischen Kojetín den Gegenbesuch in ihren Partnerorten Moers und Neuss mit dem Netzwerktreffen in Köln verbunden. „Ich bin neugierig darauf, herauszufinden, wie deutsche Jugendliche leben, was sie in ihrer Freizeit machen, wie die Schule ist und wie ihre Stadt aussieht“, sagt zum Beispiel die 16-jährige Geneva aus Italien. Auch Erinnerungskultur spielt für sie eine Rolle bei der Reise: „Ich finde es sehr wichtig, die Geschichte wirklich zu verstehen, sich an die Opfer zu erinnern und über vergangene Fehler nachzudenken, um keine neuen zu machen.“
Zeit zum Austausch und Kennenlernen haben die Jugendlichen sowie die zahlreichen europäischen Kooperationspartner*innen an den beiden Tagen viel. Zum Programm gehören neben dem Besuch des El-De-Hauses und gemeinsamen Workshops, bei denen sich die verschiedenen Erinnerungsorte vorstellen werden, auch ein Tag in der Abtei Brauweiler, wo eine Gedenkstätte deren wechselhafte Geschichte dokumentiert. Hierzu gehört auch die Zeit als „Arbeitsanstalt Brauweiler“ von 1815-1969. Während des Nationalsozialismus wurden verschiedene Gebäude auf dem Gelände als „Schutzhaftlager“ und Gestapo-Gefängnis genutzt. Die verschiedenen Workshops in Brauweiler werden dank der Kooperation mit dem LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum sowie dem LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland ermöglicht.
Seit dem Start im Jahr 2008 bereichern immer neue Erinnerungsorte das LVR-Programm: Zuletzt sind 2023 Gent in Belgien, Košice in der Slowakei und Kojetín in Tschechien hinzugekommen. Ganz neu aufgebaut wurde der Kontakt zu Partnern in der Provinz Limburg in den Niederlanden. Hier werden in diesem Jahr erstmalig Jugendbegegnungen durchgeführt. Die seit 2010 angebotenen Fahrten nach Baranivka in der Ukraine können aufgrund des russischen Angriffskrieges aktuell nicht stattfinden. „Gerade in Zeiten wie die diesen ist die Bedeutung von Programmen zur Völkerverständigung und Demokratiebildung nicht hoch genug einzuschätzen. Ich freue mich, dass wir mit unserem Programm hierzu einen kleinen Beitrag leisten können“, so LVR-Jugenddezernent Knut Dannat.
Im Rahmen des Programms fanden im Jahr 2024 insgesamt 13 Jungendbegegnungen statt, sechs davon ins europäische Ausland und sieben im Rheinland. An den Fahrten nahmen insgesamt 245 Jugendliche teil, 122 davon aus dem Rheinland. Zudem gab es im Rahmen von zwei 80-jähigen Jubiläen, die an die Gräueltaten der Wehrmacht in Maillé/Frankreich sowie in Sant’Anna di Stazzema/ Italien erinnerten, zwei zusätzliche Fahrten von Fachkräften, sowie Vertreter*innen aus Verwaltung und Politik des LVR, um den Opfern zu gedenken und sich für ein „Nie-Wieder“ einzusetzen.
Finanziert wird das Programm „Jugend gestaltet Zukunft – Internationale Jugendbegegnungen an Orten der Erinnerung in Europa“ aus Mitteln des NRW-Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration sowie des LVR. (opm)
