Von der Ägäis an die Isar – wie ein klassizistisches Monument die griechische Freiheitsliebe nach Bayern brachte.
Von HB-Redakteur Sabrina Köhler
Aktuell/Kunst & Kultur – Mitten im Herzen Münchens, am majestätisch angelegten Königsplatz, erhebt sich ein Torbau, der wie ein Echo aus der Antike wirkt: die Propyläen. Was auf den ersten Blick wie ein griechisches Stadttor aus der Zeit des Perikles erscheint, ist in Wahrheit ein monumentales Zeugnis der bayerischen Griechenliebe des 19. Jahrhunderts – und ein steingewordenes Symbol für die enge historische Verbindung zwischen Bayern und Griechenland.

Erbaut zwischen 1846 und 1862 im Auftrag von König Ludwig I., spiegeln die Propyläen die Begeisterung des Monarchen für die klassische Antike wider. Ludwig war ein glühender Verehrer Griechenlands – nicht nur als Wiege der Demokratie und Ästhetik, sondern auch als Land, dem sein eigener Sohn Otto als erster König des neu gegründeten griechischen Staates vorstand. Der Entwurf stammt von dem königlichen Architekten Leo von Klenze, der sich direkt an den Propyläen der Akropolis in Athen orientierte. In München sollten sie den westlichen Abschluss des klassizistischen Königsplatzes bilden – eine Art bayerische Akropolis mit Glyptothek, Antikensammlung und eben diesem Tempelportal als Krönung.
Doch die Propyläen sind weit mehr als nur ein architektonisches Schmuckstück im Stile des dorischen Tempelbaus. Sie wurden errichtet als Denkmal für die Griechischen Befreiungskriege gegen das Osmanische Reich (1821–1829) – ein heroisches Kapitel europäischer Geschichte, das auch in Bayern tiefe Spuren hinterließ. König Ludwig I., ein engagierter Philhellene, finanzierte das Projekt letztlich aus eigenen Mitteln, um dem Freiheitskampf der Griechen und dem Wirken seines Sohnes Otto, der 1832 zum König Griechenlands ernannt wurde, ein würdiges Andenken zu setzen.
Die Namen von 32 Freiheitskämpfern sind bis heute auf den Innenwänden der Säulenhalle verewigt – griechische und europäische Unterstützer der Revolution, deren Einsatz nicht vergessen werden soll. Die Reliefs und Skulpturen, geschaffen von Ludwig von Schwanthaler, zeigen Szenen aus dem Kampf gegen die osmanische Fremdherrschaft: den Schwur der Aufständischen, den Seekrieg, die Huldigung König Ottos. Historische Realität und allegorische Darstellung verschmelzen hier in steinerner Erzählkunst.
Die Propyläen stehen damit sinnbildlich für einen kulturellen Brückenschlag zwischen Nord und Süd, zwischen bayerischem Königtum und griechischem Nationalbewusstsein. Sie zeugen von einer Zeit, in der München sich als „Athen an der Isar“ verstand, als Zentrum klassischer Bildung, kunstvoller Baukunst und visionärer Urbanität.
Leo von Klenze wollte mit dem Bau eine Vision umsetzen: ein Stück reinen Hellenismus in die moderne Welt hinüberretten – nach München, in eine aufstrebende europäische Metropole, die mit der Antike nicht nur kunsthistorisch, sondern auch politisch verbunden war.
Für Reisende, die klassische Schönheit und europäische Geschichte gleichermaßen suchen, sind die Propyläen am Königsplatz ein Pflichtbesuch. Hier lässt sich spüren, wie tief das antike Griechenland in die Identität Europas eingewoben ist – und wie München im 19. Jahrhundert zu einem Zentrum dieser kulturellen Erinnerung wurde.
Wer durch den dorischen Säulengang schreitet, durchquert nicht nur einen Stadtraum, sondern ein Kapitel europäischer Geschichte. Von der Akropolis zur Isar: Die Propyläen sind mehr als ein Tor – sie sind ein Symbol für Freiheitsliebe, Kunstverstand und die Kraft der kulturellen Verbundenheit über Grenzen und Jahrhunderte hinweg. (sk)
