In Griechenland sitzt seit wenigen Tagen ein 38-jähriger Mann in Untersuchungshaft, dem vorgeworfen wird, über Jahre hinweg ein weit verzweigtes Netzwerk für Agrarsubventionsbetrug aufgebaut zu haben.
Von HB-Redakteurin Maria Vlachou
Aktuell – Nach Einschätzung der Ermittler soll er die treibende Kraft einer Organisation gewesen sein, die mit raffinierten Methoden unrechtmäßig Gelder aus EU-Agrarfonds abzweigte. Es handelt sich bereits um den zehnten Beschuldigten, der in diesem Zusammenhang hinter Gitter muss.
Die Ermittlungen richten sich gegen eine Gruppe, die im großen Stil Subventionen der griechischen Auszahlungsbehörde OPEKEPE (Organisation für Zahlungen und Kontrolle von Gemeinschaftlichen Förderregelungen) erschlichen haben soll. Diese Behörde verwaltet jährlich Agrarbeihilfen von mehr als zwei Milliarden Euro aus dem Topf der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union.
Nach Angaben der Untersuchungsrichter nutzten die Beschuldigten Schwachstellen im System aus, um Flächen und Weiden als förderfähig auszugeben, die ihnen weder gehörten noch tatsächlich bewirtschaftet wurden. In vielen Fällen wurden Grundstücke in abgelegenen Regionen in den elektronischen Formularen registriert, oftmals auf den Namen unbeteiligter Dritter oder sogenannter „Strohleute“.
Die Organisation soll dabei ein ausgefeiltes System entwickelt haben, um die Anträge unauffällig zu gestalten. Ermittler fanden heraus, dass angebliche Landbesitzer mit manipulierten Datenbanken und gefälschten Angaben zu Viehbeständen vorgingen. Sogar amtliche Dokumente, wie Eigentumserklärungen und regionale Bescheinigungen, sollen gefälscht oder nachträglich verändert worden sein. Damit erschlichen sich die Beteiligten höhere Zuschüsse, vor allem für Tierhaltung und Weideflächen.
Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die Mitglieder der Gruppe wiederholt Einzelbeihilfeanträge über verschiedene Steuernummern einreichten. In den Unterlagen fanden sich nachträgliche Löschungen, Änderungen und unklare Vermerke, die den Verdacht erhärten, dass bewusst falsche Informationen eingereicht wurden. Dabei sollen auch Fachkräfte aus dem Agrar- und Buchhaltungsbereich eine Rolle gespielt haben, die das komplizierte Antragsverfahren nutzten, um den Betrug zu verschleiern.
Vor dem Europäischen Untersuchungsrichter in Athen zeigte sich der 38-Jährige teilweise geständig. Er bat um Entschuldigung und räumte ein, dass er „Fehler gemacht“ habe, wies aber darauf hin, dass „viele andere ebenfalls beteiligt“ gewesen seien. Über seine Anwälte ließ er mitteilen, er wolle kooperieren, um den Sachverhalt aufzuklären.
Auch seine frühere Ehefrau, die in das Verfahren verwickelt ist, steht unter richterlicher Aufsicht. Sie befindet sich nicht in Haft, wird jedoch in ihrer Wohnung mittels eines elektronischen Armbands überwacht. Die 36-Jährige weist sämtliche Vorwürfe entschieden zurück. Vor Gericht erklärte sie, sie habe nichts von den betrügerischen Aktivitäten gewusst und führe seit Jahren ein eigenes, legales Bekleidungsgeschäft. Das auf ihren Konten entdeckte Geld stamme ausschließlich aus ihrem regulären Betrieb.
„Mein Fehler war, ihm zu sehr vertraut zu haben“, sagte sie vor dem Untersuchungsrichter über ihren Ex-Mann. Ermittler vermuten allerdings, dass sie zumindest bei der Verwaltung der unrechtmäßig erlangten Gelder eine Rolle gespielt haben könnte. Belege dafür, dass sie selbst Agraranträge gestellt oder manipuliert hat, liegen bislang jedoch nicht vor.
Wie die griechischen Behörden mitteilten, soll die Gruppe über mehrere Jahre hinweg systematisch Agrarflächen ausfindig gemacht haben, die in früheren Jahren zwar förderfähig, aber nicht mehr aktiv registriert waren. Diese Flächen wurden dann neu beantragt, wobei die Organisation mit Hilfe von Buchhaltern, Landvermessern und Vermittlern die Unterlagen so gestaltete, dass sie als plausibel galten. Mit diesem Vorgehen sollen sie sich unrechtmäßig Zahlungen in erheblicher Höhe gesichert haben – ein Schaden, der nach ersten Schätzungen in die Millionen gehen könnte.
Der Fall sorgt in Griechenland und auf EU-Ebene für Aufsehen, da OPEKEPE in den vergangenen Jahren wiederholt wegen mangelhafter Kontrollmechanismen in der Kritik stand. Die EU-Kommission forderte bereits in anderen Fällen Rückzahlungen von Griechenland, nachdem Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Agrarsubventionen festgestellt worden waren. Während die Ermittlungen weiterlaufen, prüfen die Behörden nun, ob auch Beamte in die Vorgänge verwickelt waren. Das griechische Justizministerium kündigte eine umfassende Überprüfung der internen Verfahren an, um ähnliche Betrugssysteme künftig zu verhindern. (mv)

