Im Rahmen des 65. Filmfestivals von Thessaloniki fand am vergangen Samstag im Stavros Tornes Theater eine Pressekonferenz mit Juliette Binoche und Ralph Fiennes anlässlich der Vorführung ihres neuesten Films Die Rückkehr statt – einer innovativen Verfilmung der letzten Rhapsodie aus Homers Odyssee.
Aktuell/Kultur – An der Podiumsdiskussion nahmen auch der Regisseur des Films, Uberto Pasolini, sowie dessen Koproduzent Konstantinos Kontovrakis teil. Yorgos Krassakopoulos, Programmchef des Festivals, moderierte die Diskussion.
Yorgos Krassakopoulos begrüßte sowohl das Podium als auch das Publikum und betonte, wie wichtig ein Film wie Die Rückkehr für das griechische Publikum sei, da allgemein anerkannt sei, dass die Homerischen Epen so eng mit der griechischen kollektiven Psyche verwoben seien. Die erste Frage richtete sich an den Regisseur Uberto Pasolini und bezog sich auf den abenteuerlichen Prozess der Fertigstellung des Films.
„Ich habe dreißig Jahre lang über diesen Film nachgedacht. Das heißt, zehn Jahre länger, als Odysseus braucht, um in Troja zu kämpfen, sich auf den Rückweg zu machen, Liebesaffären mit den schönsten Frauen des Mittelmeers zu haben, 108 Freier zu töten (zumindest laut Homer) und schließlich in Penelopes Armen zu landen. „In unserem Film mussten wir viel weniger Männer ermorden, das möchte ich anmerken“, sagte Uberto Pasolini humorvoll. Unmittelbar danach fügte er hinzu, dass es für ihn als Produzent unvermeidlich war den Film hauptsächlich aus diesem Blickwinkel anzugehen: „Das Drehbuch nahm Gestalt an und veränderte sich im Laufe der Zeit, bis Ralph und Juliette beschlossen mich auf dieser Reise zu begleiten. Es war von Anfang an die Geschichte eines Familientreffens. Vor allem ist es eine Odyssee des Geistes und der Seele, keine buchstäbliche Reise. Dies ist der wahre innere Kampf des Odysseus und als sich das Drehbuch weiterentwickelte wurde mehr Wert auf die inneren Konflikte und Probleme der Familie gelegt. Wir konzentrierten uns mehr auf die Menschen als auf die Mythen“, stellte Uberto Pasolini klar.
Anschließend teilten Ralph Fiennes und Juliette Binoche ihre ersten Gedanken zum Projekt. „Uberto ist ein langjähriger Freund und Partner von mir“, erklärte Ralph Fiennes. „Seine Vision war klar und durch Experimente und Diskussionen wurde sie vor etwa drei Jahren vollständig ausgereift. Als wir mit dem Vorschlag angesprochen wurden waren Juliette und ich beide in Georgia, USA, und zwar der eine in Savannah und der andere in Atlanta. Wir trafen uns, sprachen darüber und gingen in eine Buchhandlung. Dort kauften wir die Odyssee in Emily Wilsons neuester Übersetzung. Also machten wir ein Selfie mit dem Buch und schickten es an Uberto mit der Überschrift ‚fertig zum Mitnehmen!‘“ Juliette Binoche fuhr dann fort und fügte hinzu: „Als ich eingeladen wurde an Odysseus ‚Tanz‘ teilzunehmen, ging ich mit. Es war alles sehr schön: der Schreibstil, die Dialoge und natürlich die Idee, wieder mit Ralph zusammenzuarbeiten.“
Als wir über die Drehorte des Films sprachen, fragte Yorgos Krassakopoulos Konstantinos Kontovrakis, wie es war einen Teil des Films in Griechenland zu drehen. „Für die westliche Kultur ist es eine Geschichte, die den Beginn der Literatur markiert. Es ist der einflussreichste Text der griechischen Kultur“, betonte Konstantinos Kontovrakis und fügte hinzu, dass er anfangs kaum glauben konnte, dass diese Zusammenarbeit tatsächlich zustande kommen würde. „Ich dachte wirklich, jemand würde mich veräppeln! Auch wenn es klischeehaft klingt, es ist ein wahrgewordener Traum. Jeder Produzent möchte mit solch renommierten Partnern zusammenarbeiten. Für einen griechischen Produzenten ist es unglaublich wichtig die Möglichkeit zu haben, einen Film zu drehen, der auf diesem Epos basiert, und die Werte zu bewahren damit er relevant und aktuell bleibt.“
An dieser Stelle fragte Yorgos Krassakopoulos die beiden Stars, ob sie nach einem Projekt suchen, um sich beruflich wieder zu treffen. Juliette Binoche antwortete: „Als ich Uberto zuerst fragte, sagte er mir, unsere Zusammenarbeit sei Ralphs Idee gewesen. Als ich später Ralph fragte bekam ich das Gegenteil zu hören. Das Wichtigste ist, dass ich an das Schicksal glaube. Wir sollten diesen Film zusammen machen. Ich liebe die Zusammenarbeit mit ihm so sehr, aber leider sind wir beide die ganze Zeit so beschäftigt.“ Sie erwähnte auch ihre gemeinsame Liebe zum Theater und verriet dem Publikum, dass sie sich kennengelernt haben, als sie sich gegenseitig beim Theaterspielen zusahen.
Unmittelbar danach stellte das Publikum den beiden strahlenden Gästen des diesjährigen Festivals Fragen. Auf die Frage nach den Schwierigkeiten dieses speziellen Drehbuchs und den Überraschungen, die es ihm bereitete, antwortete der gefeierte englische Schauspieler, dass das Drehbuch keine Überraschungen bereithalte, da es sich um eine Geschichte handele, die er seit seiner Kindheit kenne. „Die Herausforderung bestand darin, Ubertos Version zu verstehen, die er zuvor beschrieben hatte. Eine innere Odyssee. Ein Mann, der nach viel Leid mühsam nach Hause kommt und sich nicht sicher ist, ob er bleiben kann. Ein Mann, der von all den Strapazen der Reise geistig erschüttert ist, eine innere Reise, die durch Penelope führt, mit der er sich in einer tragischen Sackgasse befindet, da sie nach allem, was sie durchgemacht haben, nicht in der Lage sind, wieder Kontakt aufzunehmen. Uberto hat es geschafft, seinen Figuren psychologische Tiefe zu verleihen und uns eine schöne Herausforderung zu bieten.“
Auf die Frage von Juliette Binoche, was ihre Rolle als Penelope zum Bild der modernen Frau beiträgt, antwortete der französische Star: „Das ist eine zutiefst persönliche Angelegenheit. Sie berührt so viele Frauen, verschiedene Arten von Frauen, auf unterschiedliche Weise. Penelope ist, selbst als Archetyp, eine sehr moderne Frau. Sie begibt sich auf ihre eigene Reise und wird damit konfrontiert, was es bedeutet, Vertrauen zu haben. Die Geduld, die diese Frau braucht, ist enorm. Wenn wir versuchen, Parallelen zwischen der Geschichte und heutigen Maßstäben zu ziehen, würden wir sagen, dass es ein Versuch ist, unsere weiblichen und männlichen Seiten zu koordinieren und zusammenzubringen, aber auch ein Versuch, zum Wesentlichen zurückzukehren, zu unserem Herzen, nach Hause. Obwohl es sich um ein klassisches Werk handelt, ist es zeitgemäßer denn je“, betonte sie.
Uberto Pasolini fügte hinzu, dass Homers Werke mehrere Interpretationen zulassen: „Aus feministischer Sicht gibt es zwei Möglichkeiten, es zu interpretieren. Die erste ist, dass Penelope eine von Natur aus unterwürfige Frau ist. Die zweite, die für mich mehr Sinn ergibt, ist, dass Penelope eine Frau ist, die ihre Entscheidungen trifft. Penelope bestimmt, was auf der Insel vor sich geht. Sie hat die Macht, Entscheidungen zu treffen, sie verändert den Lauf der Dinge, sie ist eine Frau, die durchaus in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen.“
Auf die Frage nach den Schwierigkeiten, mit denen ein Arthouse-Filmemacher konfrontiert werden kann, wirkte Juliette Binoche recht optimistisch. „Früher oder später wird die Dunkelheit dem Licht weichen, also strebe immer nach dem, was du liebst.“ Uberto Pasolini bestätigte dieses Argument und wies darauf hin, dass jeder seinen Träumen folgen sollte, in der Hoffnung, dass sich ihm irgendwann andere anschließen würden. „Ignorieren Sie alle Neins und setzen Sie Ihre Reise fort“, fügte er hinzu, bevor er das Mikrofon an Ralph Fiennes weitergab, der die in der Filmindustrie vorherrschenden Etiketten kritisierte. „Wir sind in den Kategorisierungen von Arthouse- und Mainstream-Kino gefangen. Ich hoffe, dass die neue Generation von Filmemachern diese binäre Falle überwinden wird.“ Als Antwort auf eine Frage zum Weben und Stricken in „ Die Rückkehr“ und „Der englische Patient“ äußerte Juliette Binoche ihre Liebe zum Stricken und erklärte, dass es sich um eine sehr interessante, aber schwierige Technik handele, die an Meditation erinnere.
Zum Thema der Ablenkungen auf Odysseus‘ Reise äußerten sowohl der Regisseur als auch die Protagonisten ihre eigenen Gedanken. Uberto Pasolini betonte, dass der größte innere Kampf des Protagonisten mit Gewalt zu tun hat. „Obwohl Odysseus ein Mann ist, der Gewalt vermeidet und verabscheut, sieht er sich schließlich mit der Verpflichtung konfrontiert, sie anzuwenden.“ Ralph Fiennes verwies auf Odysseus‘ Erschöpfung angesichts all der Gewalt, die er praktiziert und miterlebt. „Sie ist eine schreckliche Verletzung seiner Menschlichkeit, die eine unerbittliche Frage verbirgt: Wann ist es in Ordnung, Gewalt anzuwenden, um zu bekommen, was man will? Am Ende wollen wir alle, dass er sein Haus von seinen Freiern zurückbekommt, die die bösartigen Mächte darstellen, die versuchen, etwas zu erlangen, das ihnen nicht gehört. Odysseus weiß, dass er auf Gewalt zurückgreifen muss. Ich kehre oft zu dem Text der Bhagavad Gita zurück, wo Krishna zu dem Kriegerprinzen Arjuna über seine heilige Pflicht zu kämpfen spricht. Unser Schicksal und unsere Bestimmung sind immer größer als die kleinen Schlachten, die uns Angst machen. Ich glaube, dass auch Odysseus diese Zone der Gewalt betreten muss, um seine heilige Pflicht zu erfüllen.“
Für Juliette Binoche besteht Penelopes größte Herausforderung darin, ihre geistige Gesundheit zu bewahren. „Penelope muss sich Tag für Tag einem Albtraum stellen und so tun, als sei alles in Ordnung. Sie ist viel komplizierter als eine Frau, die nur auf die Rückkehr ihres Mannes wartet. Sie muss einen schlauen Weg finden, um mit der dunklen Seite der Menschheit fertig zu werden. Man begegnet dem Teufel nie von Angesicht zu Angesicht, sondern von der Seite. Und so gelingt es ihr, mit einer Situation fertig zu werden, die sie sonst zerstören würde.“
Als den besonderen Moment dieser Zusammenarbeit nannte Juliette Binoche die Tatsache, dass sie wahrscheinlich zum letzten Mal an der Seite von Ralph Fiennes spielt. „Wir nähern uns einem Alter, in dem wir langsam glauben, dass dies unser letzter gemeinsamer Film sein könnte. Ich kann nicht nur einen Moment auswählen. Schließlich ist für mich im Kino jeder einzelne Moment bedeutsam. Ich mache Filme nicht für mich, ich mache sie für euch alle, für die Menschheit und für die Chance, Teil von etwas zu sein. Es ist wichtig, von großartigen Partnern umgeben zu sein, die erkennen können, was man zu bieten hat, etwas, das oft nicht erkennbar ist.“ Ralph Fiennes hingegen war der Meinung, dass es keinen Sinn habe, einen bestimmten Punkt im Laufe seiner Karriere auszuwählen. „Manchmal hat man einfach eine Rolle zu spielen. Die Bedeutung findet man im Laufe der Zeit und kann sie nicht genau ausdrücken. Als Juliette beschloss, mit uns an The Return zu arbeiten , hatte ich das Gefühl, dass wir uns auf eine tiefgreifende Erfahrung einlassen würden. Manche Rollen sind buchstäblich unmöglich zu beschreiben.“
In Bezug auf Streaming-Plattformen kam Uberto Pasolini auf das zurück, was Ralph Fiennes zuvor über Spaltungen gesagt hatte, und machte deutlich, dass Streaming Filmemachern in vielerlei Hinsicht hilft, sowohl in Bezug auf die Bekanntheit als auch durch das Angebot einer Vielzahl von Optionen. Gleichzeitig stellte er klar, dass er es vorzieht, einen Film im Kino zu sehen, was er immer noch für die ideale Art hält, einen Film zu sehen. An dieser Stelle erinnerte Herr Kontovrakis alle daran, dass The Return von Rosebud.21 am 28. November 2024 in die griechischen Kinos kommen wird.
Juliette Binoche betonte dann, wie wichtig es für sie war, vor den Dreharbeiten die griechischen Drehorte zu besuchen, um die Menschen kennenzulernen und sich mit dem gesamten Prozess vertraut zu machen. Ralph Fiennes stimmte zu und fügte hinzu: „Ich war zweimal in Ithaka, es ist ein Ort, der eine so starke Energie ausstrahlt. Ich bin viel in Griechenland herumgereist, besonders auf der Peloponnes. Ich finde Ihr Land außergewöhnlich. Es gibt eine enorme Energie, mit der ich mich identifizieren kann, die man auf den Inseln, in den Meeren und Landschaften, in der Topografie und den Bergen findet. Dort wohnen starke Geister. Ich erlebe ein ähnliches Gefühl an der Westküste Irlands.“
Anschließend und nach einem Verweis auf das berühmte Gedicht „Ithaka“ von Konstantin P. Kavafis, das in Griechenland ebenso beliebt ist wie die Odyssee selbst, fragte Yorgos Krassakopoulos die Redner, was ihnen von dieser Erfahrung letztlich im Herzen bleiben wird. Uberto Pasolini antwortete: „Manchmal sagt man einfach ‚Los geht‘ und sieht, wie sich das Ergebnis direkt vor den eigenen Augen entfaltet. Schauspieler wie Ralph und Juliette bieten einem mehr Komplexität, als man sich je wünschen könnte. Ich lebe für die Verbindungen, die große Schauspieler sowohl untereinander als auch mit dem Text herstellen.“
Zum Schluss ging Ralph Fiennes auf die zeitlose Kraft von Homers Odyssee ein . „Wir alle suchen auf die eine oder andere Weise nach unserem ganz persönlichen Ithaka. Die Odyssee erzählt uns von dem Kampf um die Rückkehr. Wir sind alle auf einer Reise, und die Frage nach der Rückkehr ist die, die wir in uns tragen.“ In einem herzerwärmenden Finale betonte Juliette Binoche, wie wichtig es für sie war, durch die Zusammenarbeit mit Ralph Fiennes Uberto Pasolinis Vision Wirklichkeit werden zu lassen: die lange erwartete Rückkehr nach Ithaka, unabhängig von der Form und der Bedeutung, die sie für den Einzelnen haben mag. (opm)