Wenn der Morgennebel sanft die Täler füllt und die Sonnenstrahlen über die kahlen Kuppen des Feldbergs tanzen, wird im Südwesten Baden-Württembergs ein geheimnisvolles Schauspiel sichtbar: der Schwarzwald.
Von HB-Redakteurin Nadja Becker
Weltweit – Deutschlands größtes und höchstes zusammenhängendes Mittelgebirge, erstreckt sich auf mehr als 6.000 Quadratkilometern, von der tiefen Oberrheinischen Tiefebene im Westen bis zu den sanften Hügeln des Gäus im Osten. Mit einer Höhe von bis zu 1.493 Metern am Feldberg erhebt er sich majestätisch über die Region und zieht jährlich Hunderttausende Touristen in seinen Bann.

Die Landschaft ist ein kaleidoskopisches Zusammenspiel aus geologischer Geschichte und klimatischer Vielfalt. Das Gebirge entstand vor Millionen Jahren, als der Oberrheingraben im Eozän einbrach und die östliche Schwarzwaldhälfte heraushob, während westlich die Vogesen emporstiegen. Im Zentrum des Schwarzwalds thront der Kaiserstuhl, ein Relikt vulkanischer Aktivität. Das Grundgebirge aus kristallinen Gneisen, Migmatiten und Graniten bildet die Basis, während die Buntsandsteintafeln des Nord- und Mittleren Schwarzwalds wie endlose Stufenlandschaften die Hügel und Plateaus bedecken. Das Zusammenspiel von Grundgebirge, Deckgebirge und glazialer Formung hat Täler geformt, Karseen wie Mummelsee, Wildsee und Feldsee geschaffen und die Wege von Flüssen wie Enz, Kinzig, Wutach und Murg vorgezeichnet.
Die naturräumliche Vielfalt des Schwarzwalds lässt sich in sechs Haupteinheiten gliedern: von den Randplatten im Norden über den Grindenschwarzwald und die Enzhöhen, den Nördlichen Talschwarzwald bis hin zum Mittleren Schwarzwald, dem Südöstlichen Schwarzwald und dem Hochschwarzwald im Süden. Während die Nordregionen meist dicht bewaldet sind und durch enge, schluchtartige Täler geprägt werden, öffnet sich im Westen das Grundgebirge mit weitläufigen Wiesentälern, die historisch leichter zu besiedeln waren. Der Mittlere Schwarzwald, insbesondere die Kinzig-Täler, zeigt eine harmonische Mischung aus Landwirtschaft und Waldflächen.
Der Südschwarzwald und Hochschwarzwald beherbergen die höchsten Gipfel, darunter das Herzogenhorn (1.416 m) und der Belchen (1.414 m). Die Hornisgrinde (1.164 m) im Norden, Schauinsland (1.284 m) und Blauen (1.165 m) im Süden bilden markante Aussichtsberge, die auch Gleitschirmflieger und Wanderer anziehen. Die glaziale Vergangenheit des Gebirges zeigt sich in den Gletschermoränen, Hochmooren und Karseen, die sich in den Hochlagen erhalten haben.
Wasser ist Lebensader und Energiequelle zugleich. Zahlreiche Flüsse entwässern das Gebirge, vom 105 Kilometer langen Enzfluss bis zur 2857 Kilometer langen Donau, deren Quellflüsse Brigach und Breg hier entspringen. Die Seenlandschaft ist vielfältig: Titisee, Mummelsee und Schluchsee laden zu Wassersportarten, Bootstouren und Wanderungen ein, während Stauseen wie das Schluchseewerk Strom erzeugen und Hochwasserschutz bieten. Historisch nutzten Bauern und Handwerker die Wasserkraft für Sägemühlen, Hammerwerke und Papierproduktion; heute sichern moderne Lauf- und Pumpspeicherkraftwerke wie das Hornberg- oder Schluchsee-Kraftwerk die Versorgung.

Die menschliche Geschichte des Schwarzwalds ist ebenso reich wie seine Natur. Bereits die Kelten und Römer hinterließen Spuren in den Randgebieten, die Bronze- und Eisenzeit brachte erste Bergbauaktivitäten, im Mittelalter entwickelte sich die Hochebene langsam zu landwirtschaftlichen Siedlungen. Später, im 16. und 17. Jahrhundert, war der Schwarzwald Schauplatz von Aufständen wie der Bundschuh-Bewegung und Ort zahlreicher Barockschanzen. Der Bergbau prägte Generationen: Silber, Blei, Zink, Baryt und Fluorit wurden in den Gruben von Münstertal, Todtnau, Wieden oder am Schauinsland abgebaut; Besucherbergwerke wie die Grube Teufelsgrund oder die Grube Clara machen die Geschichte heute erlebbar.
Die Wälder des Schwarzwalds, einst Mischwälder aus Laub und Tanne, wurden im 19. Jahrhundert großflächig abgeholzt und mit Fichtenmonokulturen wieder aufgeforstet. Orkane wie Vivian, Wiebke und Lothar in den 1990er Jahren führten zu verheerenden Schäden, die teilweise noch heute auf Naturlehrpfaden wie dem Lotharpfad zu sehen sind. Der Wald ist aber auch Rohstofflieferant: Holz wurde über Jahrhunderte geflößt, diente als Baumaterial in den Niederlanden, für den Schiffbau und als Grundlage für Holzkohle, Glasherstellung und Pottaschegewinnung.
Tradition und Handwerk sind im Schwarzwald allgegenwärtig. Die Uhrenproduktion nahm im 17. Jahrhundert ihren Anfang, Holzuhren wurden hausindustriell gefertigt, bevor Mitte des 19. Jahrhunderts Metalluhrenfabriken wie Junghans und Kienzle den Weltmarkt eroberten. Der Geigenbau der Familie Straub prägte den südlichen Schwarzwald vom 17. bis 20. Jahrhundert, Instrumente dieser Tradition finden sich heute in Museen von Bonn bis Berlin. Glashütten, Mineralbrunnen, Schmuckmanufakturen und Feinmechanikbetriebe zeugen von einer jahrhundertelangen Handwerkskunst, die bis in die heutige Zeit reicht.
Tourismus ist heute der wichtigste Wirtschaftszweig. Über 157.000 Schlafplätze bieten Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen, und rund 100.000 Menschen arbeiten direkt in der Branche. Wanderwege wie der Westweg, Mittelweg, Schluchtensteig oder Baiersbronner Seensteig ziehen Outdoorfans in die Täler und über die Kämme. Radfahrer folgen dem Heidelberg-Schwarzwald-Bodensee-Radweg oder dem Südschwarzwald-Radweg. Wintersport auf dem Feldberg, in Todtnau oder Hinterzarten lockt Skifahrer und Snowboarder, während Schlittenhunderennen internationale Aufmerksamkeit erregen.
Die Städte und Dörfer des Schwarzwalds sind lebendige Zeugnisse der Geschichte. Baden-Baden mit seinen Thermalbädern und der Spielbank, Gengenbach, Wolfach, Schiltach und Haslach mit Fachwerkromantik, Baiersbronn mit Spitzenrestaurants, Freudenstadt mit dem größten Marktplatz Deutschlands – sie alle spiegeln Kultur, Gastronomie und Handwerk wider. Klöster und Abteien wie St. Blasien, Alpirsbach oder St. Peter verweisen auf eine spirituelle Vergangenheit, während Museen wie der Vogtsbauernhof, das Deutsche Uhrenmuseum und die Dorotheenhütte die handwerkliche Geschichte des Gebirges lebendig halten.
Straßen, Eisenbahnen und Bahnlinien wie die Höllentalbahn, Murgtalbahn oder Albtalbahn durchziehen das Mittelgebirge, ermöglichen den Zugang zu Tälern, Städten und Naturschönheiten, und verbinden die Region mit dem Rheintal und darüber hinaus. Motorradfahrer, Wanderer und Naturliebhaber finden auf kurvenreichen Straßen oder idyllischen Pfaden gleichermaßen ihr Vergnügen. (nb)

