Periptero: Die pulsierende Lebensader Griechenlands

In den verwinkelten Gassen Athens, entlang der sonnenverwöhnten Boulevards Thessalonikis und selbst in den entlegensten Dörfern der Ägäis begegnet man ihnen: den Periptera.
Von HB-Redakteur Jorgos Kontos

Aktuell – Diese unscheinbaren Kioske, oft nicht größer als ein begehbarer Kleiderschrank, sind weit mehr als bloße Verkaufsstände. Sie sind das schlagende Herz des griechischen Alltags, soziale Treffpunkte und stille Zeugen der wechselvollen Geschichte des Landes.

Die Ursprünge der Periptera reichen zurück ins frühe 20. Jahrhundert. Im Jahr 1911 wurde in der Athener Panepistimiou-Straße der erste Kiosk dieser Art eröffnet. Ursprünglich als Verkaufsstellen für Zeitungen konzipiert, erweiterten sie ihr Sortiment nach dem Ersten Weltkrieg um Zigaretten und Süßigkeiten. Trotz ihrer bescheidenen Abmessungen von gesetzlich festgelegten 1,3 mal 1,5 Metern – was einer Fläche von gerade einmal 1,95 Quadratmetern entspricht – entwickelten sie sich rasch zu wahren Miniatur-Warenhäusern. Mit ausladenden Markisen und geschickt platzierten Kühlschränken erweiterten die Betreiber ihren Verkaufsraum kreativ und boten eine erstaunliche Vielfalt an Produkten an.

Das typische Angebot eines Periptero liest sich wie ein Spiegelbild des täglichen Bedarfs: Zigaretten, die in Griechenland traditionell einen hohen Stellenwert genießen, Zeitungen und Zeitschriften, die den Wissensdurst stillen, Süßigkeiten für den kleinen Genuss zwischendurch, gekühlte Getränke zur Erfrischung, aber auch Batterien, Schreibwaren und Drogerieartikel. Die Kioske passen sich dabei flexibel ihrem Standort an. So findet man in touristischen Gegenden Souvenirs und Postkarten, während in Wohnvierteln der Fokus auf Alltagsgegenständen liegt. Am Syntagma-Platz in Athen etwa spezialisieren sich einige Periptera auf internationale Presseerzeugnisse, um den Bedürfnissen der kosmopolitischen Kundschaft gerecht zu werden.

Doch die Bedeutung der Periptera geht weit über ihr Warenangebot hinaus. Sie sind ein Instrument der Sozialpolitik. Lizenzen zum Betrieb eines Kiosks wurden traditionell an Kriegsversehrte und deren Familien vergeben, um ihnen eine Lebensgrundlage zu sichern. Diese Praxis verlieh den Kiosken eine tiefe gesellschaftliche Verwurzelung und machte sie zu einem integralen Bestandteil des sozialen Gefüges.

Wirtschaftlich spielen die Periptera eine nicht zu unterschätzende Rolle. Mit landesweit etwa 18.000 Kiosken, davon allein 5.500 im Großraum Athen, tragen sie erheblich zum Bruttoinlandsprodukt bei. Ihr Jahresumsatz beläuft sich auf beeindruckende sieben Milliarden Euro, was etwa fünf Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Griechenlands ausmacht. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass fast die Hälfte dieses Umsatzes auf Tabakwaren entfällt, gefolgt von Mobilfunkkarten, Süßwaren und Getränken.

Trotz ihrer historischen und kulturellen Bedeutung stehen die Periptera vor Herausforderungen. Die wirtschaftliche Rezession der letzten Jahre führte zu einem durchschnittlichen Umsatzrückgang von 21 Prozent. Zudem setzen veränderte Konsumgewohnheiten und der Aufstieg von 24-Stunden-Minimärkten den traditionellen Kiosken zu. Dennoch bleiben sie für viele Griechen unverzichtbar. Sie sind nicht nur Orte des Einkaufs, sondern auch des Austauschs, der kurzen Plauderei und des nachbarschaftlichen Zusammenhalts.

In einer sich wandelnden Welt stehen die Periptera sinnbildlich für die griechische Fähigkeit, Tradition und Moderne zu vereinen. Sie sind kleine Inseln der Beständigkeit im Strom der Zeit, Orte, an denen Geschichte lebendig bleibt und der Alltag pulsiert. Wer Griechenland wirklich verstehen will, sollte an einem Periptero verweilen, dem Treiben zuschauen und vielleicht ein Gespräch mit dem Kioskbesitzer beginnen. Denn hier, im Schatten der Markisen, schlägt das wahre Herz Griechenlands. (jk)

Foto: Albtalkourtaki, CC BY-SA 3.0, wikimedia.org

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