Ein warmer Wind weht über das glitzernde Meer, Zikaden zirpen – und doch hängt ein Hauch von Rebellion in der Luft. Was klingt wie der Beginn eines Urlaubsmärchens, ist in Wahrheit der Auftakt zu einer umfassenden Bewegung: 34 griechische Inseln haben genug. Sie wollen nicht länger bloß die Kulisse für Millionen Reisende spielen.
Von HB-Redakteurin Maria Vlachou
Aktuell – In einem Brandbrief an die Regierung in Athen fordern die Gemeinden der Südägäis das Recht, Eintrittsgelder für Tagesgäste zu erheben. Die Botschaft ist klar: Wer Sonne, Sand und Santorin erleben will, soll künftig auch einen Beitrag für den Erhalt dieser Traumorte leisten.
„Unsere Inseln ächzen unter der Last des Erfolgs“, schreibt der Zusammenschluss der Bürgermeister in einem Ton, der nichts mehr mit Urlaubsidylle zu tun hat. Die Rede ist von Tausenden Tagesgästen, die täglich mit Fähren und Kreuzfahrtschiffen anlanden, durch enge Gassen ziehen, Wasser und Strom verbrauchen, Abfall hinterlassen – und dann wieder verschwinden, ohne einen Cent in die Gemeindekassen zu zahlen.
Besonders betroffen: Symi, Santorin und Mykonos. Auf Symi, einem kleinen Inseljuwel nahe Rhodos, kommen im Sommer bis zu 5000 Besucher täglich – bei nur 2500 Einwohnern. Bürgermeister Eleftherios Papakalodoukas schlägt Alarm: „Drei Euro pro Kopf wären fair. Wir müssen schließlich Müll, Wasser und Energie bezahlen. Wir lieben unsere Gäste, aber wir können die Kosten nicht mehr allein tragen.“
Die Liste der betroffenen Inseln liest sich wie ein Reisekatalog: Von Amorgos bis Tilos, von Paros bis Patmos, von Mykonos bis Milos. Insgesamt 34 Inseln haben sich zusammengeschlossen – darunter bekannte Touristenmagneten wie Rhodos und Naxos, aber auch kleine Geheimtipps wie Folegandros oder Sikinos. Auf Santorin, wo Kreuzfahrtschiffe regelmäßig ganze Schwärme von Tagesbesuchern ausspucken, denkt Bürgermeister Nikolaos Zorzas sogar über eine Obergrenze für Besucher nach. „Es geht nicht darum, Touristen abzuschrecken“, betont er. „Aber wir müssen die Balance zwischen Lebensqualität und Wirtschaft erhalten.“
Agathonisi, Amorgos, Anafi, Andros, Antiparos, Arkoi, Astypalea, Folegandros, Ios, Kalymnos, Karpathos, Kasos, Kastellorizo, Kea (Tzia), Kimolos, Kos, Kythnos, Leipsoi, Leros, Milos, Mykonos, Naxos, Nisyros, Paros, Patmos, Rhodos, Santorin, Serifos, Sifnos, Sikinos, Symi, Syros, Tilos, Tinos
Doch während die Lokalpolitiker über Gebühren und Besucherzahlen diskutieren, wächst bei Hoteliers und Händlern die Angst. Viele fürchten, dass Eintrittsgelder Touristen abschrecken könnten. „Wir leben vom Reiseverkehr“, sagt ein Restaurantbesitzer aus Naxos. „Wenn die Gäste hören, dass sie extra zahlen müssen, suchen sie sich vielleicht ein anderes Ziel. Wir dürfen nicht übertreiben.“ Andere wiederum sehen in der geplanten Gebühr eine längst überfällige Maßnahme. „Wenn wir nichts tun, verlieren wir das, was unsere Inseln ausmacht“, warnt eine Umweltaktivistin aus Paros. „Die Infrastruktur ist überlastet, die Wasserknappheit wird schlimmer, und das Ökosystem leidet. Die Besucher müssen Teil der Lösung werden.“
Ganz neu ist die Idee nicht. Venedig erhebt bereits seit 2024 fünf Euro pro Tagesgast – ein Versuch, den Massentourismus zu zügeln. Auch in Rom und Paris wurde die Touristensteuer angehoben, Island und Schottland haben neue Abgaben eingeführt. Im gesamten Mittelmeerraum zieht die Preisspirale an: Auf Mallorca und Ibiza zahlen Reisende bis zu 3,50 Euro Kurtaxe pro Nacht. Kroatien und Zypern kennen ähnliche Regelungen. Griechenland hingegen hatte bisher gezögert, die eigenen Urlaubsinseln zur Kasse zu bitten – doch nun scheint der Druck der Realität größer zu sein als die Furcht vor Kritik.
Noch ist unklar, ob und wann Athen dem Antrag der Inseln zustimmen wird. Doch eines steht fest: Der Gedanke, dass die griechischen Traumziele nicht nur in Reiseprospekten, sondern auch in den Haushaltsbüchern überleben müssen, ist längst angekommen. Vielleicht wird der künftige Urlaub in Griechenland also ein wenig teurer – dafür aber nachhaltiger. Und vielleicht ist das Summen der Zikaden dann nicht mehr vom Lärm der Kreuzfahrtschiffe übertönt, sondern wieder das, was es immer war: der Klang des echten Griechenlands. (mv)
