Monschau: Wo die Rur Geschichten flüstert und Fachwerkträume erwachen

Wenn der Morgennebel sanft über die Dächer der Altstadt zieht und das Wasser der Rur leise gegen die Ufer stößt, erwacht Monschau in einem Licht, das wie aus einer anderen Zeit zu stammen scheint.
Von HB-Redakteurin Nadja Becker

Weltweit – Zwischen steilen Berghängen des Naturparks Hohes Venn-Eifel schmiegt sich die Stadt an die Flussschleifen, als wollte sie die Jahrhunderte in ihren Gassen sammeln und bewahren. Jeder Kopfstein, jede schieferverkleidete Fassade und jedes Fachwerk erzählt von Handwerk, Handel und den Menschen, die hier gelebt und gearbeitet haben.

Monschau, früher Montjoie genannt, ist mehr als nur ein Luftkurort in Nordrhein-Westfalen. Die Stadt an der Rur gehört zur Städteregion Aachen und bildet einen historischen Knotenpunkt zwischen Deutschland und Belgien. Direkt hinter den Stadtgrenzen breiten sich belgische Gemeinden wie Eupen, Weismes und Bütgenbach aus, während die Nachbarn Simmerath, Schleiden und Hellenthal die Eifellandschaft vervollständigen. Durch das Stadtgebiet verlaufen historische Exklaven, die einst von der Vennbahn umschlossen wurden – ein Relikt früherer Grenzverläufe, das bis heute die Besonderheit Monschaus ausmacht.

Foto: Hellas-Bote/Olaf Josten

Wer durch die Altstadt spaziert, spürt die Verbindung von Natur und Geschichte: steile Treppen führen an alten Stadtmauern vorbei, Brücken überspannen die Rur, und von den kleinen Cafés in den Gassen duftet es nach frischem Kaffee und gebackenem Gebäck. Die Rur selbst, still und zugleich lebendig, durchzieht die Stadt wie ein Lebensstrom. Im Winter steigt der Niederschlag oft kräftig an; Monschau liegt mit rund 1.222 Millimetern im oberen Zehntel deutscher Regenwerte. Im Dezember prasselt der Regen am häufigsten, während der September vergleichsweise trocken ist – ein rhythmisches Wechselspiel, das die Natur der Eifel spürbar macht.

Die Geschichte der Stadt ist reich und vielschichtig. Erste Erwähnungen stammen aus dem Jahr 1198, als Monschau als „Mons Ioci“ urkundlich auftauchte. Über die Jahrhunderte wandelten sich die Schreibweisen – Monjoje, Muynzie, Monyou – bis 1918 der heutige Name durch kaiserlichen Erlass festgelegt wurde. Die Burg Monschau, erbaut zu Beginn des 13. Jahrhunderts auf einem Felsen über der Rur, war sowohl strategischer Stützpunkt als auch Symbol der Macht. Heute beherbergt die renovierte Burg eine Jugendherberge und bewahrt gleichzeitig das Flair vergangener Zeiten.

Das wirtschaftliche Leben Monschaus war lange durch die Textilindustrie geprägt. Bereits Ende des 16. Jahrhunderts gründete Arnold Schmitz die ersten Feintuchmanufakturen. Später führte Johann Heinrich Scheibler die Produktion zu internationalem Ruhm. Das „Rote Haus“, das prunkvolle Wohn- und Fabrikgebäude der Scheiblers, ist heute ein Museum und Zeugnis der wirtschaftlichen Blüte. Die Feintuche aus Monschau wurden europaweit exportiert, die Wolle aus Spanien über Antwerpen und Rotterdam eingeführt – ein beeindruckendes Handelsnetzwerk für eine vergleichsweise kleine Stadt. Bis 1982 existierte die letzte Textilfabrik Monschaus; heute beherbergen die historischen Gebäude Märkte, Museen und Ausstellungen.

Monschau gliedert sich in acht Stadtteile: Höfen, Imgenbroich mit Widdau, Kalterherberg mit Ruitzhof, Konzen mit Rückschlag, Monschau selbst, Mützenich und Rohren. Jeder Stadtteil besitzt seinen eigenen Charme: Während Mützenich und Kalterherberg dörfliche Ruhe bieten, glänzt die Altstadt mit pittoresken Gassen und historischen Gebäuden. Die Stadtteile liegen eingebettet zwischen bewaldeten Hügeln, sattgrünen Wiesen und den typischen Rurarmen, die sich durch die Landschaft schlängeln.

Kultur und Kunst prägen Monschau ebenso wie Natur und Handwerk. Die Evangelische Stadtkirche, ein rechteckiger Bruchsteinbau von 1787 bis 1789, besticht durch wertvolle Stuckaturen, Schnitzereien und die ungewöhnliche Turmspitze mit einem Schwan. Das Ursulinenkloster, die Minoritenkirche, Haus Troistorff und die Pfarrkirche St. Mariä Geburt im Bauernbarock laden zu Zeitreisen in Architektur und Lebensstil vergangener Jahrhunderte ein. Kunstprojekte wie die Verhüllung der Haller-Ruine durch Christo und Jeanne-Claude 1971 oder die Skulpturen Alf Lechners zeigen, dass Monschau immer wieder Bühne für kreative Impulse ist.

Das kulturelle Angebot reicht von Museen wie dem Roten Haus und der Senfmühle bis hin zu modernen Fotografieausstellungen im Fotografie Forum Aachen. Zahlreiche Filme und Serien wurden hier gedreht, darunter Netflix-Miniserien, Tatort-Folgen und internationale Produktionen, die Monschaus Altstadt als unverwechselbare Kulisse nutzen.

Auch sportlich lebt Monschau auf: Internationale Kanurennen auf der Rur, der Monschau-Marathon über 760 Höhenmeter oder das historische Burgringrennen zeigen, dass die Stadt weit mehr zu bieten hat als Fachwerk und Geschichte. Radfahrer folgen den Wegen der alten Vennbahn, der RurUfer-Radweg oder der Eifel-Höhen-Route und erleben Natur und Kultur in perfekter Kombination.

Monschaus Bildungseinrichtungen sind eng mit der Region verwoben. Vom St.-Michael-Gymnasium über die Sekundarschule Nordeifel bis zu den Grundschulen in Konzen, Mützenich und Höfen werden Schüler aller Altersklassen gefördert. Internationale Klassen ermöglichen Kindern mit Migrationshintergrund den Zugang zu modernen Lehrplänen und Fremdsprachen.

Die städtische Infrastruktur ist gut vernetzt: ASEAG- und RVK-Busse verbinden die Stadt mit Aachen, Simmerath und Eupen, während der Rufbus NetLiner flexible Verbindungen innerhalb Monschaus ermöglicht. Die ehemalige Vennbahn, heute ein Radweg, und die Bundesstraße 258 sorgen für reibungslose Erreichbarkeit.

Wirtschaftlich zeigt sich Monschau vielseitig: Traditionelle Betriebe wie die Senfmühle Monschau existieren neben innovativen Start-ups in Imgenbroich. Die Arbeitsgemeinschaft Monschauer Unternehmen und das Handwerksinnovationszentrum HIMO fördern regionale Vernetzung und Gründungen. Damit gelingt der Balanceakt zwischen Bewahrung historischer Traditionen und zeitgemäßer wirtschaftlicher Entwicklung. (nb)

Foto: Hellas-Bote/Olaf Josten