Kreta: Von Göttern, Harpyien und einer bewegten Geschichte

Umgeben von hohen Bergspitzen liegt das Lassithi-Plateau. Im Sommer ein beliebtes Ziel auf den Tourismusrouten, lockt das Gebiet auf einer Höhe von über 800 Metern im Winter die Kreter an, wenn die Felder von Schnee bedeckt sind.
Von Redakteurin Ebru Ataman

Kreta – Es dauert seine Zeit, bis der Weg über die sich windenden Serpentinen das Lassithi-Plateau, einer Karstebene, erreicht. Aufgeteilt wird die Ebene durch den Kalksteinhügel Kephala in zwei Teile mit Kampos im Westen und dem steinigen Xero-Kampos im Osten des Plateaus. Verbunden mit einer Straße über 23 Kilometer bietet das Plateau nicht nur ein begehrtes Ziel für Radfahrer, es verbirgt beliebte Sehenswürdigkeiten, welche im Sommer die Touristen anziehen. Ist die Saison vorbei reisen die Kreter zum Lassithi-Plateau, denn bisher wurde das Gebiet in jedem Jahr vom Schnee bedeckt, der bin in die Mitte des Frühlings erhalten bleibt. Wenn der Schnee taut, werden die Ackerflächen vom Wasser bedeckt und geben dem Gebiet Kraft für das kommende Jahr.

Das Gebiet wird im Sommer reich kultiviert, wodurch sich Dörfer am Fuße des umliegenden Berge im Laufe der Zeit angesiedelt haben, die eine perfekte Kulisse für den Aufenthalt und den Blick auf die Windmühlen bieten, wofür das Plateau berühmt ist. Die „Markenzeichen“ sind mit weißen Tüchern bespannt und dienten bis in die 1980er Jahre hinein als Wassermühlen – durch das Absinken des Grundwasserspiegels allerdings wurden immer mehr Wasserpumpen mit Dieselmotoren eingesetzt. Noch bis vor einigen Jahrzehnten reihten sich die Mühlen aneinander, doch nachdem viele junge Kreter ihre Heimat verlassen haben, wurden viele der Mühlen dem Verfall ausgesetzt. In den vergangenen Jahren wurde viele von ihnen restauriert und so ist auch heute noch bei Ambelos der größte Steinwindmühlenpark in Griechenland zu besichtigen.
Ebenfalls eine Sehenswürdigkeit stellen die großen Gräben, die linearen Entwässerungslinien dar, die von den Venezianern gebaut wurden um das Plateau mit Wasser zu versorgen. Sie schufen den größten Garten Kretas, in welchem die Landwirtschaft einen fruchtbaren Boden fand. Hierbei sollten jedoch die Minoer nicht vergessen werden, die das Plateau wesentlich früher besiedelten.

Foto: Hellas Bote

Das Gebiet war die letzte Bastion des Widerstandes der Minoer gegen die Dorier, die im 4. Jahrhundert vor Christus Kreta einnahmen. Immer schon wurde das Lassithi-Plateau von Legenden und Mythen eingenommen, so sollen hier nicht nur Zeus und Minos geboren worden sein. Minos erhielt zudem hier die Fundamente für seine Gesetze und auch die Harpyien sollen eine Heimat auf dem Plateau gefunden haben.

Die Venezianer verboten zunächst die Besiedlung des Gebietes um den Rebellen die Möglichkeit des Schutzes zu nehmen. Zunächst war das Plateau verlassen, bis venezianische Familien sich hier niederließen. Auch während der türkischen Besatzung bot das Plateau Schutz vor den Eindringlingen, 1867 kam es hier zu einer grausamen Schlacht. Die türkisch-ägyptische Armee nahm das Plateau ein, die Rebellen flohen vor der Übermacht, während die Einheimischen geschlachtet wurden. Zehn Tage lang zerstörten die Türken alles, was ihnen in den Weg kam. Diese Zeit und das spätere Aufeinandertreffen mit den Rebellen war der erste Schritt zur Befreiung Kretas, denn die Grausamkeit der Türken sorgte bei den bis dahin neutralen, europäischen Ländern für Aufmerksamkeit.

Foto: Hellas Bote

Naturliebhaber und Wanderer werden hier alles finden, was sie gesucht haben – von einem künstlichen Stausee bis zur imposanten Schlucht von Havgas, in welcher das Wasser des Katharo Plateaus enthalten ist. Die Schlucht im oberen Teil zu bewandern ist allerdings auch für erfahrene Bergsteiger schwierig. Drei bis vier Kilometer ist sie lang und an manchen Stellen steigen die Wände senkrecht in die Höhe. Wer sie erkunden will, für den wurde ein Wanderweg angelegt, der neben dem Stausee von Agios Georgios, in der Nähe des Dorfes Agios Konstantinos, beginnt. Wer sowieso gerade im Dorf Agios Konstantinos verweilt, für den empfiehlt sich zudem ein Klosterbesuch. Das Kloster Kroustalenia, welches während der kretischen Revolution gegen die Türken eine wichtige Rolle im Lauf der Geschichte einnahm, bietet hierzu die Möglichkeit, ebenso wie das Kloster von Vidiani mit einem kleinen Museum auf der anderen Seite des Plateaus. Einblicke den religiösen Themenbereich bietet zudem das kleine Plateau von Nisimos neben Tzermiado, auf welchem die Kirche St. Ariadne Architektur und Religion zu einer Sehenswürdigkeit verbindet.

Ebenfalls die minoische Siedlung Karfi ist es Wert erwandert zu werden. Allerdings weniger für den Bereich als archäologische Stätte, sondern mit dem Ziel einer atemberaubenden Aussicht. Vom Nisimos-Plateau führt ein steiler Pfad herauf, einfacher geht es über Kera mit einer Wanderung von ca. 15 Minuten. In Karfi soll Prinzessin Ariadne gelebt haben, die Tochter von Minos, die Theseus den mystischen Ariadne-Faden gegeben haben soll als Hilfe um aus dem Labyrinth zu finden.

Sehenswert zudem das Plateau von Limnakaro mit wunderschönen Walnusswäldern und der Kapelle des Heiligen Geistes oder auch das Plateau von Katharo, welches über Kritsa zugänglich ist und auf welchem Paläontologen Spuren von Elefanten gefunden haben. Die eigentliche Sehenswürdigkeit, die die Touristenbusse anzieht, ist jedoch die Höhle von Psychro, meist mehr als Zeushöhle oder Diktäische Höhle bekannt. Einige sprechen in diesem Zusammenhang von Lassithi als „Bethlehem“ der griechischen Mythologie, denn in ihr wurde nach der Legende der Göttervater Zeus geboren. Eine weitere Höhle lockt nach Trapeza, bekannt als die Kronion-Höhle, welche zwischen dem Dorf Marmaketo und Tzermiado auf einer Höhe von 860 Metern zu finden ist. Der Weg lohnt sich, denn der Blick auf das Lassithi-Plateau verzaubert ebenso, wie von der Zeus-Höhle aus. (ea)

Foto: Hellas Bote