Hipponions Erbe: Wo Griechenlands Flamme in Kalabrien weiterglüht

Vibo Valentia – Kalabriens verborgenes Mosaik aus griechischer Geschichte und mediterraner Schönheit.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler

Reisen – Im tiefen Süden Italiens, wo die grünen Hügel Kalabriens auf das endlose Blau des Tyrrhenischen Meeres treffen, liegt ein geschichtsträchtiger Ort, dessen Seele weit über die Grenzen der Gegenwart hinausreicht: Vibo Valentia, einst Hipponion, eine leuchtende Perle der Magna Graecia. Diese antike Stadt, gegründet im 7. Jahrhundert v. Chr. von griechischen Kolonisten aus Lokroi, zeugt bis heute von der tiefen kulturellen und architektonischen Prägung durch das klassische Griechenland.

Was heute eine moderne Stadt mit rund 31.000 Einwohnern ist, war einst ein blühendes Zentrum der griechischen Kultur und Macht. Der Name Hipponion hallt durch die Zeit und erinnert an eine Ära, in der Philosophie, Baukunst und strategisches Denken den mediterranen Raum durchdrangen. Der erhaltene Abschnitt der Stadtmauer aus dem 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr. offenbart beeindruckende Zeugnisse griechischer Befestigungskunst – darunter runde hellenistische Türme aus präzise behauenen Quadern, die der Zeit getrotzt haben.

Die Geschichte Hipponions ist eine Chronik großer Umbrüche: von kriegerischen Auseinandersetzungen mit Lokroi und dem mächtigen Syrakus über die Zerstörung durch Dionysios von Syrakus bis zum Wiederaufbau durch die Karthager. Schließlich fiel die Stadt an das Römische Reich, das sie als Vibo Valentia in das lateinische Koloniesystem eingliederte.

Doch trotz der römischen und später byzantinischen, normannischen und staufischen Herrschaften blieb die griechische Seele dieser Stadt lebendig. Wer heute durch das historische Zentrum spaziert, spürt sie an jeder Ecke: im mächtigen Castello Normanno Svevo, das auf antiken Fundamenten thront, im Dom Santa Maria Maggiore, der auf sakraler Kontinuität basiert, und am Belvedere Grande, von dem aus sich das Meer offenbart – wie einst den griechischen Siedlern.

Die Ruinen von Hipponion sind keine stummen Zeugen, sondern sprechende Steine. Sie erzählen von einem Kalabrien, das kein Randgebiet war, sondern Teil eines größeren Ganzen – eines kulturellen Netzwerks, das sich von Athen bis nach Sizilien spannte.

Vibo Valentia ist mehr als nur ein Ziel für historisch Interessierte – es ist ein lebendiges Zeugnis griechisch-mediterraner Identität, ein Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart eine Symbiose eingehen. In einer Zeit, in der Europa wieder nach seinen Wurzeln sucht, erinnert Vibo Valentia eindrucksvoll daran, wie tief griechisches Denken und Bauen das Herz des Kontinents geprägt hat. (sk)

Foto: M.belsito at it.wikipedia, CC BY-SA 3.0, wikimedia.org