Hunderte von Kindern haben im aktuellen Gaza-Krieg nach Angaben der SOS-Kinderdörfer ihre komplette Familie verloren und sind auf sich alleine gestellt. Tausende weitere seien in Gefahr, das gleiche Schicksal zu erleiden.
Magazin – „Derzeit kann niemand die genaue Zahl sagen. Wir versuchen, die betroffenen Kinder zu ermitteln, aber das ist nicht einfach. Manche Gebiete sind nur schwer zu erreichen und es ist hoch riskant, angesichts der fortgesetzten Bombardierung, dorthin zu gehen“, sagt ein leitender Mitarbeiter der SOS-Kinderdörfer in Rafah, Gaza. Aus Sicherheitsgründen will die Hilfsorganisation seinen Namen nicht nennen. Verlassene Kinder sind immer die am meisten gefährdeten Personen in einem Krieg. Sie sind Gewalt und Übergriffen schutzlos ausgeliefert.
„Wir sind die einzige Organisation, die sich auf Kinder spezialisiert hat, die die elterliche Fürsorge verloren haben. Das heißt, dass wir jetzt besonders gefragt sind“, sagt Lanna Idriss, Vorstandsvorsitzende der SOS-Kinderdörfer weltweit.
Nach Angaben der Hilfsorganisation sind auch Verwandte, die verlassene Kinder in Gaza aufgenommen haben, am Rande der Verzweiflung. „Die Familien können die Kinder nicht mehr versorgen. Sie sind in großem Stress, weil sie nicht wissen, woher sie etwas zu essen bekommen sollen oder weil es an medizinischer Unterstützung fehlt“, sagt der Vertreter der SOS-Kinderdörfer in Gaza. In der Not wollen viele Familien die Kinder wieder abgeben. „Wir müssen das unbedingt verhindern. Die Kinder dürfen kein zweites Mal verlassen werden“, sagt der Mitarbeiter. Die Hilfsorganisation will diese Familien deshalb gezielt unterstützen, unter anderem mit medizinischer Versorgung und Bargeldzahlungen.
Auch Kindern in Gaza, die noch bei ihren Eltern leben, gehe es schlecht. „Viele sind eingespannt in den Kampf ums Überleben: Sie fangen schon am frühen Morgen an, Wassertanks aufzufüllen und zu versuchen, an Lebensmittel zu kommen. Man sieht ihnen sofort an, wie erschöpft und traumatisiert sie sind. Sie haben kaum Kleidung, keine Schuhe, viele haben noch nicht einmal Unterwäsche zum Wechseln. Und es gibt niemanden, der sich um sie kümmert“, sagt der Mitarbeiter der SOS-Kinderdörfer.
Seine Forderung: „Der Krieg muss aufhören! Wir brauchen einen sofortigen Waffenstillstand, bevor noch mehr Kinder getötet oder verletzt werden oder ihre Familien verlieren.“
Die SOS-Kinderdörfer in Israel und Palästina
Die SOS-Kinderdörfer unterstützen Kinder, Jugendliche und Familien auf allen Seiten von Konflikten. Sie setzen sich weltweit, so auch in Israel und in Gaza, für jedes Kind ein – unabhängig von Staatsangehörigkeit, Hautfarbe, Religion oder ethnischer Zugehörigkeit. Gerade in krisengeprägten Regionen sind Kinder, vor allem ohne elterliche Fürsorge, akut gefährdet. Aufgrund der langjährigen Erfahrung in Israel und den palästinensischen Gebieten gelingt es den SOS-Kinderdörfern auch in der derzeitigen Situation ihre Arbeit fortführen.
In Gaza sorgt die Hilfsorganisation unter schwersten Bedingungen weiter für die Sicherheit der Kinder im SOS-Kinderdorf Rafah und leistet darüber hinaus Nothilfe. Nach Kriegsende soll der Wiederaufbau unterstützt werden. (opm)