Wo jahrzehntelang bekannte Stimmen über den Marmorstufen hallten, wird bald Stille einkehren: Das legendäre Odeon des Herodes Atticus, eines der bekanntesten antiken Bauwerke Griechenlands, wird ab Mitte Oktober für drei Jahre geschlossen. Grund sind umfassende Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten, die die Stabilität und den langfristigen Erhalt des fast 1.900 Jahre alten Theaters sichern sollen.
Von HB-Redakteurin Maria Vlachou
Athen – Das Amphitheater am Südhang der Akropolis, oft schlicht „Herodion“ genannt, ist nicht nur ein Symbol der griechischen Kultur, sondern auch ein Magnet für Besucherinnen und Besucher aus aller Welt. Jahr für Jahr zieht es Tausende Kulturfreunde an, die die besondere Akustik und die majestätische Kulisse erleben wollen. Nun aber heißt es: Abschied nehmen – zumindest vorübergehend.
Am 16. Oktober wird die Bühne ein letztes Mal erklingen, bevor die Baugerüste aufgestellt werden. Zum Abschied spielt die renommierte Komponistin Evanthia Reboutsika gemeinsam mit einem Sinfonieorchester aus Istanbul – ein Konzert, das als musikalischer Brückenschlag und emotionaler Höhepunkt der Saison gilt. Danach schließt das Tor des Theaters, und die Stille übernimmt das Regiment.
Das Herodes-Odeon wurde um 160 n. Chr. vom athenisch-römischen Mäzen Herodes Atticus errichtet – als Gedenkstätte für seine früh verstorbene Ehefrau Regilla. Jahrhunderte später gilt es als eines der am besten erhaltenen römischen Theater der Welt. Doch die Zeit hat Spuren hinterlassen: Risse im Gestein, Feuchtigkeit, mikrobielle Ablagerungen und frühere, teils unzureichende Reparaturen gefährden die Substanz.
Laut dem griechischen Kulturministerium ist die Sanierung dringend notwendig. „Wir bewahren nicht nur ein Bauwerk, sondern ein Stück kulturelles Gedächtnis“, erklärte Elena Koundouri, Leiterin der Abteilung für klassische Altertümer, der Zeitung To Vima. Ziel sei es, „das Denkmal zu sichern und gleichzeitig seine Funktion als lebendigen Kulturort zu erhalten“.
Ein interdisziplinäres Team der Nationalen Technischen Universität Athen begleitet die Arbeiten. Geplant sind die Stabilisierung des südlichen Bühnenwalls, die Festigung der historischen Marmortribünen und die sorgfältige Reinigung der Oberflächen. Zudem sollen bislang verborgene Mosaikböden freigelegt und die Backstage-Bereiche modernisiert werden. Dabei legen die Restauratorinnen und Restauratoren Wert auf größtmögliche Authentizität – und auf Nachhaltigkeit: künftige Witterungsschäden sollen besser abgewehrt werden können.
Seit 1955 bildet das Herodes-Theater das Herzstück des Athen-Epidaurus-Festivals, das internationale Künstler und Ensembles nach Griechenland zieht. Ob Oper, Ballett oder Rockkonzert – kaum ein Ort vereint Geschichte und Gegenwart so eindrucksvoll. Mit dem Umbau verliert die Stadt vorübergehend eine ihrer prominentesten Bühnen. Doch die Hoffnung überwiegt: Wenn alles nach Plan läuft, wird das Herodion 2028 in neuem Glanz wiedereröffnet. (mv)
