Ein Hauch von Seide und Geschichte – Die Villa Joseph Modiano in Thessaloniki

Inmitten der lebendigen Pracht der Vasilissis Olgas Allee erhebt sich ein architektonisches Juwel, das Geschichten von industrieller Blüte, jüdischem Erbe, Krieg, Verfall – und schließlich Wiederauferstehung erzählt: die Villa Joseph Modiano.
Von HB-Redakteur Jorgos Kontos

Kunst & Kultur – Die Villa, ein Zeugnis des spätosmanischen Thessaloniki und ein Symbol für den einstigen Einfluss jüdischer Kaufmannsfamilien, blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. 1899 ließ der Unternehmer Joseph Modiano auf dem erworbenen Grundstück zunächst eine Seidenfabrik errichten – ein Hinweis auf den Reichtum, den die Modianos durch ihre Rolle im florierenden Textilhandel der Stadt erworben hatten. Kurz darauf folgte die prächtige zweistöckige Villa, ein Wohnhaus für die Familie und Ausdruck ihres gesellschaftlichen Status.

Nach dem Tod Modianos wandelte sich das Familienanwesen mehrfach: In den Wirren des 20. Jahrhunderts diente es unter anderem als Nebengebäude des Ersten Männergymnasiums Thessalonikis, als Unterkunft für Flüchtlinge und als Verwaltungsbesitz während der Besatzung. Besonders tragisch – das Erdbeben von 1978, das der Villa schwere Schäden zufügte und ihre Zukunft ungewiss erscheinen ließ.

Erst mit der umfassenden Restaurierung, die 2014 begann und zwei Jahre später abgeschlossen wurde, fand das Gebäude zu neuem Leben. Liebevoll wurden die prachtvollen Deckengemälde restauriert – jedes Zimmer ein individuelles Kunstwerk, dessen Themen der Fantasie des Künstlers entsprangen, ganz ohne Vorlagen. Fresken, Säulen mit korinthischen Kapitellen, symmetrische Raumaufteilung: Die Architektur verwebt neoklassizistische Elemente mit eklektischen Details zu einem harmonischen Gesamteindruck.

Heute beherbergt die Villa erneut Teile des traditionsreichen Ersten Männlichen Gymnasiums. Schüler durchqueren Räume, die einst von einer der einflussreichsten Familien der Stadtgeschichte bewohnt wurden – eine Verbindung von Bildung und Geschichte, Vergangenheit und Zukunft.

Die Villa Joseph Modiano ist weit mehr als ein restauriertes Gebäude. Sie ist ein stiller Zeuge einer Zeit, in der Thessaloniki als kosmopolitisches Zentrum des östlichen Mittelmeers galt. Ihre Mauern erzählen von Aufstieg und Fall, Flucht und Rückkehr, Kunstsinn und architektonischer Raffinesse. Und vor allem: von der Widerstandsfähigkeit eines Ortes, der nicht vergessen werden will. (jk)

Foto: Hellas-Bote

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