Die griechische Insel Kreta erlebt eine der schwersten Wasserkrisen der letzten Jahrzehnte. In neun Gemeinden, darunter Platanias, Kissamos und Kantanos-Selinos, wurde jetzt offiziell der Notstand erklärt. Die Böden sind ausgedörrt, die Brunnen leer – vielerorts sprudelt kein Wasser mehr, sondern nur noch brauner Schlamm aus den Leitungen.
Von HB-Redakteur Panos Ventouris
Aktuell – Für die Bevölkerung bedeutet die Situation harte Einschnitte: Der Anbau neuer Feldfrüchte ist untersagt, private Pools dürfen nicht mehr befüllt werden und für das Gießen von Grünflächen gelten strenge Auflagen. In vielen Dörfern sind die Wasserreserven so knapp, dass nur noch stundenweise Versorgung möglich ist. Besonders dramatisch ist die Lage in landwirtschaftlich geprägten Regionen – hier vertrocknen Olivenbäume reihenweise. Ein herber Schlag für viele Familienbetriebe, die auf den Export des „flüssigen Goldes“ angewiesen sind.
Die Auswirkungen der Dürre beschränken sich nicht nur auf die Landwirtschaft. Auch der Tourismus, ein zentraler Wirtschaftsfaktor auf Kreta, leidet zunehmend. Reisebuchungen gehen zurück, vor allem aus Angst vor Waldbränden und Wasserengpässen in den Urlaubsregionen. In manchen Orten mussten Hotels bereits auf Wasserlieferungen per Tankwagen zurückgreifen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.
Zwar haben geringe Niederschläge und anhaltende Hitzeperioden die Situation verschärft, doch viele Stimmen auf der Insel machen auch strukturelle Versäumnisse verantwortlich. Die Wasserinfrastruktur ist in weiten Teilen veraltet, Leckagen in Versorgungsnetzen führen zu enormen Verlusten. Zudem wurde in der Vergangenheit kaum in die Speicherung von Regenwasser oder in alternative Versorgungsquellen wie Meerwasserentsalzung oder Recycling investiert.
Initiativen fordern jetzt entschlossenes Handeln. In einer Erklärung heißt es: „Es kann nicht sein, dass Golfplätze und private Pools mit Trinkwasser versorgt werden, während Bauern ihre Ernte verlieren und Dörfer auf dem Trockenen sitzen.“ Die Organisation ruft die Politik dazu auf alle geplanten Mega-Tourismusprojekte kritisch zu überprüfen und Maßnahmen zur Reduzierung des Wasserverbrauchs im Tourismussektor umzusetzen – etwa durch die Nutzung von Brauchwasser und wassersparende Technologien.
In vielen betroffenen Gemeinden wird inzwischen mit Hochdruck an kurzfristigen Lösungen gearbeitet: mobile Tanks, restriktive Zuteilung, öffentlich finanzierte Wasserspeicher. Doch ohne tiefgreifenden Wandel in der Wasserpolitik, so der einhellige Tenor unter den lokalen Entscheidungsträgern, wird Kreta künftig häufiger mit solchen Krisen konfrontiert sein.
Die Insel steht an einem Wendepunkt. Die Frage ist nicht mehr, ob gehandelt werden muss – sondern wie schnell und konsequent. (pv)
