Die Charokopio-Universität ist stiller Hüter griechischer Bildungstradition

Inmitten der historischen Tiefen Athens, dort wo sich Antike und Moderne die Hand reichen und wo die Marmorruinen der Zeitzeugen noch im Wind des Saronischen Golfs flüstern, erhebt sich ein stiller Ort der Bildung mit tiefen Wurzeln im griechischen Geist: die Charokopio-Universität. Sie liegt nicht im touristisch überlaufenen Zentrum, sondern im Vorort Kallithea – und dennoch atmet sie den gleichen Hauch von Geschichte, wie ihn schon Sokrates auf der Agora verspürte.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler

Kunst & Kultur – Die Gründung dieser staatlichen Hochschule im Jahr 1990 war keine bloße administrative Entscheidung, sondern vielmehr ein logischer und ehrwürdiger Schritt im Sinne eines Mannes, der bereits im 19. Jahrhundert die Kraft von Wissen, Bildung und Hauswirtschaft erkannte: Panagis Charokopos. Geboren 1835 in Griechenland, wurde er landwirtschaftlicher Berater des rumänischen Königs Carol I. und später ein engagierter Abgeordneter im griechischen Parlament. Sein Blick war stets nach vorne gerichtet – auf die soziale Verbesserung durch Bildung und die Ermächtigung der Gesellschaft durch Wissenschaft.

In seinem Testament verfügte Charokopos die Gründung einer Schule, die der wissenschaftlichen Ausbildung in der Hauswirtschaft gewidmet sein sollte. 1906 kaufte er ein 20.000 Quadratmeter großes Grundstück in Kallithea, das wie ein ungeschriebenes Kapitel darauf wartete, mit Wissen gefüllt zu werden. Zwischen 1915 und 1920 entstanden hier die ersten Schulgebäude, die bald den Namen Charokopio-Hochschule trugen – ein Vorläufer der heutigen Universität. Ein zusätzlicher Flügel folgte 1959, und nach mehr als einem halben Jahrhundert kontinuierlicher Bildung wurde 1990 schließlich die Charokopio-Universität gegründet.

Doch die Geschichte dieser Institution ist nicht nur eine chronologische Aneinanderreihung von Jahreszahlen und Gebäuden. Sie ist ein Spiegel des griechischen Bildungsgeistes – geerdet in Tradition, und doch stets offen für Fortschritt. In einer Zeit, in der viele Hochschulen um ihre Identität ringen, bleibt die Charokopio-Universität ein Ort fokussierter akademischer Exzellenz. Sie ist mit rund 700 Studierenden eine der kleinsten Universitäten Griechenlands, doch ihre Wachstumsraten sprechen eine andere Sprache: Nirgendwo im Land steigen die Immatrikulationszahlen im Verhältnis so stark an wie hier. Das ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines zielgerichteten und spezialisierten Bildungsangebots.

In den Jahren 1993/1994 wurden die historischen Gebäude aufwendig restauriert – ein Akt der Erneuerung, der nicht nur baulich, sondern auch symbolisch verstanden werden kann: das Alte ehren, ohne das Neue zu fürchten. Mit dem Bau eines neuen Gebäudes für das Department für Geographie und einer modernen Bibliothek in den Jahren 1999–2000 wurden die Weichen für eine zeitgemäße und internationale Ausrichtung gestellt.

Gerade das Department für Geographie steht heute im Zentrum europäischer Zusammenarbeit. Als Mitglied des European Spatial Development Planning Network ist es nicht nur ein Fenster Griechenlands zur Welt, sondern auch ein Ort, an dem die geostrategische Bedeutung des Mittelmeerraumes erforscht wird – mit Athen als geistigem Mittelpunkt, ganz so wie in der klassischen Antike, als Gelehrte hier den Himmel und die Erde vermessen wollten.

Die Fakultäten der Universität sind ebenso sorgfältig gewählt wie wegweisend. In den Bereichen Diätetik und Ernährungswissenschaften, Geographie, Informatik und Telematik sowie Hauswirtschaft und Ökologie schlägt die Universität eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis. Besonders in der Hauswirtschaft, dem ursprünglichen Herzen der Institution, lebt das Vermächtnis Charokopos weiter – modern interpretiert und doch traditionsbewusst. In einer Zeit, in der viele Hochschulen Massenbetrieb und Anonymität bieten, kultiviert die Charokopio-Universität einen anderen Weg. Sie ist ein Ort der Konzentration, der Nachhaltigkeit und des kulturellen Bewusstseins. (sk)

Foto: Athenian80, CC BY-SA 3.0, wikimedia.org