Die Alkyonischen Tage: Eine Liebe zwischen Meer und Himmel

Es war einmal in einer Zeit, als die Götter des Olymps über die Menschen wachten und das Meer voller Geheimnisse war, eine kleine griechische Küstenstadt namens Kalypso. Die Menschen dort lebten in Harmonie mit dem Meer, und die Fischer erzählten sich oft Geschichten über die Götter, die in den Tiefen des Ozeans schlummerten.
Ein modernes, griechisches Märchen von Maria Papadaki

Literatur – Eines Tages entdeckte ein junger Fischer namens Nikos eine verletzte Möwe am Strand. Ihre Flügel waren vom Sturm zerrissen, und sie konnte nicht mehr fliegen. Nikos, der ein gutes Herz hatte, nahm die Möwe behutsam in seine Arme und brachte sie zu seiner Hütte. Dort pflegte er sie und sprach ihr sanft zu, während er ihre Wunden versorgte.

Die Tage vergingen, und die Möwe erholte sich langsam. Doch Nikos bemerkte etwas Merkwürdiges an ihr: Ihre Augen funkelten wie Sterne, und ihr Gefieder schien im Mondlicht zu schimmern, als wäre es aus Silber. Eines Nachts, als der Vollmond über dem Meer stand, verwandelte sich die Möwe plötzlich in eine wunderschöne Frau. Sie trug ein Kleid aus Meeresblau, und ihr Haar wehte wie die sanften Wellen des Ozeans.
„Wer bist du?“, fragte Nikos erstaunt.
„Ich bin Alkyone, eine der Töchter des Meeresgottes Poseidon“, antwortete sie sanft. „Einst wurde ich von Eifersucht und Zorn in diese Möwenform verbannt, weil ich mich in einen Sterblichen verliebte. Doch deine Güte hat den Fluch gebrochen.“

Nikos war überwältigt von ihrer Schönheit und ihrem sanften Wesen. Er konnte es kaum glauben, dass er eine Tochter Poseidons vor sich hatte. Alkyone erzählte ihm von ihrem Schicksal und den harten Prüfungen, die sie durchleben musste. Doch nun war sie frei, und ihre Dankbarkeit Nikos gegenüber war grenzenlos.
„Als Zeichen meiner Dankbarkeit möchte ich dir ein Geschenk machen“, sagte Alkyone und hob ihre Hand, in der sich eine Perle bildete, so groß und klar wie ein Tropfen Wasser. „Diese Perle enthält die Weisheit der Meere. Sie wird dir helfen, die Geheimnisse des Ozeans zu verstehen und dich vor seinen Gefahren zu schützen.“

Nikos nahm die Perle ehrfürchtig entgegen und versprach, sie gut zu hüten. Von diesem Tag an begleitete Alkyone ihn bei seinen Fahrten auf dem Meer. Sie half ihm, die besten Fischgründe zu finden und warnte ihn vor bevorstehenden Stürmen. Doch ihre Liebe zu ihm wuchs mit jedem Tag, und schließlich beschlossen sie, für immer zusammenzubleiben.

Doch die Götter auf dem Olymp waren nicht glücklich über die Verbindung zwischen einem Sterblichen und einer Göttin. Zeus, der Herrscher der Götter, beschloss, die beiden zu prüfen. Eines Tages, als Nikos und Alkyone weit draußen auf dem Meer segelten, schickte Zeus einen mächtigen Sturm, der die Wellen hoch aufpeitschte und das Boot zum Kentern brachte.

In ihrer Verzweiflung rief Alkyone ihren Vater, Poseidon, um Hilfe. Der Meeresgott erhob sich aus den Tiefen und beruhigte das Meer mit einer Geste. Doch er konnte seinen Zorn nicht verbergen.
„Ihr habt gegen die Gesetze der Götter verstoßen“, donnerte Poseidon. „Doch eure Liebe hat mein Herz berührt. Daher werde ich euch ein Schicksal zuteilwerden lassen, das eurer Liebe würdig ist.“
Mit diesen Worten verwandelte Poseidon Nikos und Alkyone in ein Möwenpaar, das für immer zusammen über das weite Meer fliegen sollte. Von da an waren sie als „Alkyoniden“ bekannt, die Liebenden, die jedes Jahr im tiefsten Winter über das Meer flogen und Ruhe in die stürmischen Wellen brachten.

Und so erzählt man sich bis heute in der kleinen Stadt Kalypso, dass, wenn die Möwen im Winter ruhig über das Meer gleiten, es die Zeit der „Alkyonischen Tage“ ist, eine Zeit des Friedens, die von der ewigen Liebe zwischen einem Sterblichen und einer Göttin geschenkt wurde. (mp)

Foto: Maria Papadaki